Problemüberblick

Im Fall geht es neben Problemen des Nachbargesetzes in Baden-Württemberg, die hier nicht weiter verfolgt werden sollen, um die Frage, welchen Einfluss das Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 auf bereits laufende Störungsbeseitigungsprozesse hatte. Bis Ende November 2020 war es nämlich kein Problem, dass ein Wohnungseigentümer gegen Dritte (auch) wegen einer Störung des gemeinschaftlichen Eigentums vorgegangen ist. Zwar hatten die Wohnungseigentümer die Möglichkeit, die Störungsabwehr zu "vergemeinschaften". In diesem Fall wäre K nicht mehr befugt gewesen, selbst den Prozess zu führen. Einen Zwang zu einer Vergemeinschaftung gab es aber nicht. In dem seit dem 1.12.2020 geltenden Recht ist es hingegen anders. Denn nach § 9a Abs. 2 WEG i. V. m. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB kann wegen einer Störung des gemeinschaftlichen Eigentums nur noch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen einen Grundstücksnachbarn vorgehen. Eine Vergemeinschaftung ist daher gar nicht mehr vorgesehen. Über sie kann man eigentlich nur noch in Bezug auf das Bauträgerrecht nachdenken.

Störung des gemeinschaftlichen Eigentums

Macht ein Wohnungseigentümer geltend, durch die Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums, eines anderen Sondereigentums oder – wie im Fall – durch die Nutzung eines benachbarten Grundstücks werde das gemeinschaftliche Eigentum unzulässig gestört, kann nach § 9a Abs. 2 WEG nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen diese Störung auf Unterlassung/Beseitigung vorgehen. Diese Störung kann in einem Geräusch, einem Geruch oder einer anderen Einwirkung, z. B. der Unterschreitung des gebotenen Abstands, bestehen.

Dies sieht der BGH eigentlich nicht anders. Nur für eine Übergangszeit bejaht er die Möglichkeit, dass Wohnungseigentümer, die bereits gegen eine Störung gerichtlich vorgehen, nicht ihre Prozessführungsbefugnis verlieren. Allerdings sieht auch er das Problem, dass die Miteigentümer diese Klage vielleicht nicht wollen. Daher hat der BGH ein dogmatisch überraschendes Modell entwickelt. Zwar soll eine Klage ungeachtet des § 9a Abs. 2 WEG fortgesetzt werden können. Dies soll aber nicht gelten, wenn die Wohnungseigentümer den Kläger gleichsam "ausbremsen".

Folgen für die Verwaltungen

Dieses BGH-Denken fordert den pflichtgemäßen Verwalter als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für eine Übergangszeit in einem 1. Schritt dazu auf, zu ermitteln, ob ein Wohnungseigentümer seit einem Zeitpunkt, der vor dem 1.12.2020 liegt, bereits gerichtlich gegen einen anderen Wohnungseigentümer, gegen einen Drittnutzer, z. B. einen Mieter, oder einen Nachbarn vorgeht.

Dazu sollten die Wohnungseigentümer schriftlich oder in Textform mit Bezug auf die BGH-Entscheidung und die dort beschriebenen Möglichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer angeschrieben werden. Bleiben die Ermittlungen erfolglos, sollte das Ergebnis in den Verwaltungsakten vermerkt werden. Außerdem sollte der Verwaltungsbeirat informiert werden, da er den Verwalter nach § 29 Abs. 2 WEG überwacht. In der nächsten regulären Versammlung sollten die Wohnungseigentümer kurz informiert werden, dass es Ermittlungen gab, diese aber erfolglos waren. Ferner kann hier nochmals nach Klagen gefragt werden. Wird der Verwalter fündig, sollte er zeitnah die Wohnungseigentümer über die Lage informieren. M. E. muss er dazu in dringenden Fällen – soweit die aktuelle COVID-19-Lage dies erlaubt – eine Versammlung einberufen. Die Dringlichkeit bemisst sich an der abzuwehrenden Störung und dem Verfahrensstand. Eine Alternative, z. B. die bloße Information der Verwaltungsbeiräte, sehe ich nicht. Ist die Information nicht dringend, kann die nächste ordentliche Versammlung abgewartet werden.

Sieht eine kleine Verwaltung das anders und informiert sie die Wohnungseigentümer nicht, ist es in einem seltenen Ausnahmefall vorstellbar, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sie auf Haftung in Anspruch nimmt. In der Regel wird nichts passieren.

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