Der BGH hält beide Beschlüsse im Ergebnis für ordnungsmäßig! Sie hätten jeweils die erforderliche Mehrheit erreicht: mehr Ja- als Nein-Stimmen. Richtig sei, dass das Ehepaar B1 und B2 nicht befugt war, zu einer Versammlung zu laden. Dieser Ladungsmangel habe sich aber nicht ausgewirkt, da B1 und B2 auf sich 2 Stimmrechte vereinigen würden. Selbst dann, wenn eine dazu befugte Person geladen hätte, hätten B1 und B2 daher den Verwalter und den Inhalt des Verwaltervertrags bestimmen können. Etwas anderes wäre zwar anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des K1 und der K2 vorläge. Denn dann wären die Beschlüsse nichtig. So liege es aber nicht.

Hinweis

  1. Nach dem WEG-Konzept "1 Person 1 Stimme" bestehen beim Kopfstimmrecht 2 Stimmen, wenn das Wohnungseigentumsrecht 1 einem A und das Wohnungseigentumsrecht 2 dem A und einem B gemeinsam gehören. Im Anschluss an einen Beschluss des LG Lübeck war bislang ungeachtet dessen die Ansicht vertreten worden, dass nur 1 Stimmrecht bestehe. Der BGH hat dieser Ansicht mit der vorstehenden Entscheidung eine "rote Karte" erteilt.

    Zusammenfassender Überblick zum Kopfstimmrecht:

    • Fall: Das Wohnungseigentumsrecht Nr. 1 gehört A. Das Wohnungseigentumsrecht Nr. 2 gehört auch A. Wie viele Stimmen entfallen auf die Wohnungseigentumsrechte Nr. 1 und 2? Antwort: 1.
    • Abwandlung: A veräußert den ½ Miteigentumsanteil vom Wohnungseigentumsrecht Nr. 2 an B. Wie viele Stimmen entfallen jetzt auf die Wohnungseigentumsrechte Nr. 1 und 2? Antwort: 2.
    • Spielt es eine Rolle, dass B die Ehefrau oder eine von A beherrschte Gesellschaft ist? Antwort: Nein.
    • 2. Fall: Das Wohnungseigentumsrecht Nr. 1 gehört A und B. Das Wohnungseigentumsrecht Nr. 2 gehört A, B und C. Wie viele Stimmen entfallen auf die Wohnungseigentumsrechte Nr. 1 und 2? Antwort: 2.
    • 3. Fall: Das Wohnungseigentumsrecht Nr. 1 gehört A und B. Das Wohnungseigentumsrecht Nr. 2 gehört auch A und B. Wie viele Stimmen entfallen auf die Wohnungseigentumsrechte Nr. 1 und 2? Antwort: 1!
  2. Ein Wohnungseigentümer kann im Fall des Kopfstimmrechts die Anzahl der Stimmrechte vermehren, wenn er Eigentümer mehrerer Wohnungseigentumsrechte ist und eines oder mehrere von diesen an einen Dritten veräußert. Dieser "Dritte" kann auch eine ihm nahestehende Person, z. B. seine Ehefrau, oder eine von ihm beherrschte Gesellschaft sein. Etwas anderes gilt, wenn in der Wohnungseigentumsanlage das Objektstimmrecht gilt. Denn dann standen dem, der Eigentümer mehrerer Wohnungseigentumsrechte war, bereits vor einer Veräußerung so viele Stimmen zu, wie er Eigentümer von Wohnungseigentumsrechten war. Veräußert er ein Wohnungseigentumsrecht, wächst ihm dann ein Stimmrecht ab und einem Dritten zu. Zur Vermehrung der Stimmrechte kommt es nicht.

    Es ist auch nicht anders, wenn in der Wohnungseigentumsanlage das Wertstimmrecht gilt. Wie beim Objektstimmrecht stehen dann die Stimmrechte bei einer Veräußerung zwar einem Dritten zu. Eine "Vermehrung" ist aber ausgeschlossen. Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Wohnungseigentümer ein Wohnungseigentumsrecht rechtlich unterteilt. Insoweit gibt es beim Wertstimmrecht keine Besonderheiten; es kommt also zu keiner Vermehrung der Stimmrechte. Beim Objekt- und Kopfstimmrecht führt eine Unterteilung ebenfalls nicht dazu, dass nach der Anlegung eines weiteren Wohnungsgrundbuchblattes 2 Stimmen entstehen würden. Es ist auch nicht so, dass die Eigentümer jeweils ein halbes Stimmrecht hätten. Vielmehr ist es so, dass die Eigentümer ein gemeinsames Stimmrecht haben (also z. B. nicht ¾ zu ¼ oder ½ zu ½). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein Wohnungseigentümer seine Wohnungseigentumsrechte miteinander vereinigt.

  3. Der BGH klärt im Übrigen, dass die unbefugte Ladung durch einen Wohnungseigentümer in verwalterlosen Gemeinschaften Beschlüsse zwar anfechtbar, aber grundsätzlich nicht nichtig macht. Ob dies auch dann gilt, wenn es einen Verwalter gibt, ist damit nicht gesagt. Ich selbst meine, dann wäre die Ladung eines Wohnungseigentümers, der eine Ermächtigung zur Ladung nicht nachweisen kann, unbeachtlich und etwaige "Beschlüsse" wären "Nichtbeschlüsse".

4.1 Entscheidung

BGH, Urteil v. 20.11.2020, V ZR 64/20

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