Leitsatz

Das FamG hatte der Antragsgegnerin die elterliche Sorge für ihre im Jahre 1995 geborene Tochter entzogen. Zur Begründung stützte sich das Gericht auf die Gutachten zweier Sachverständiger, beide jeweils Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, wonach die Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin als krankheitsbedingt erheblich eingeschränkt zu beurteilen sei. Einer der Sachverständigen kam zu dem Ergebnis, die Antragsgegnerin leide mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer tief greifenden Persönlichkeitsstörung. Ihre persönlichkeitsbedingte emotionale Instabilität und ihre Unsicherheit über das eigene Selbstbild führe zu unzureichender Wahrnehmung der Tochter als eigenständiges Individuum mit übermäßig enger Bindung und Kontrolle bei bestehender Gewissheit der Fürsorglichkeit.

Der andere Sachverständige kam hinsichtlich der Tochter zu dem Schluss, dass ihre Entwicklung durch das sog. Münchhausen-by-proxy-Syndrom und die Psychopathologie der Mutter erheblich eingeschränkt sei. Hieraus sei auf eine massive Gefährdung des Kindeswohls zu schließen.

Die Antragsgegnerin wandte sich gegen den Beschluss des FamG, mit dem ihr die elterliche Sorge entzogen wurde. Sie stützte sich auf eine ärztliche Stellungnahme des sie behandelnden Arztes, wonach sie keine Verhaltensauffälligkeiten aufweise.

Das Rechtsmittel der Mutter hatte keinen Erfolg.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, das FamG habe der Antragsgegnerin zu Recht die elterliche Sorge für das betroffene Kind entzogen. Das Wohl des Kindes wäre aufgrund der psychischen Erkrankung der Antragsgegnerin bei einer Rückführung in den mütterlichen Haushalt und der Wahrnehmung der Belange des Kindes durch die Mutter im Übrigen gefährdet. In der mündlichen Verhandlung sei deutlich geworden, dass die Antragsgegnerin keine Krankheitseinsicht habe. Sie sei deshalb auch nicht willens und in der Lage, die Kindeswohlgefährdung abzuwenden.

Es spreche bereits viel dafür, dass der von dem Sachverständigen angeführte Verdacht auf ein sog. Münchhausen-by-proxy-Syndrom begründet sei. Ein solches sei dadurch gekennzeichnet, dass der betroffene Elternteil eine Erkrankung des Kindes hervorrufe oder jedenfalls vortäusche und wiederholt Ärzte aufsuche, denen die wahren Ursachen des Krankheitsbildes nicht offenbart würden. Bei einer Trennung von dem bei alledem besonders fürsorglich erscheinenden Elternteil bildeten sich die Krankheitssymptome alsbald zurück.

Letztendlich könne dahinstehen, ob das Verhältnis zwischen der Antragsgegnerin und ihrer Tochter mit dem Begriff Münchhausen-by-proxy-Syndrom zureichend beschrieben sei. Jedenfalls sei das von der Antragsgegnerin in der Vergangenheit gezeigte Verhalten, ihre Tochter als entwicklungsverzögert bzw. behindert oder krank zu behandeln, die einzige plausible Erklärung für die von den gerichtlich bestellten Sachverständigen diagnostizierten Entwicklungsschäden. Von daher sei nicht verwunderlich, dass nach der Schilderung des Verfahrenspflegers der Tochter und der anderen Verfahrensbeteiligten die Tochter seit der Trennung von ihrer Mutter eine überaus positive Entwicklung genommen habe. Aufgrund dessen wäre eine Rückführung in den mütterlichen Haushalt mit dem Kindeswohl nicht vereinbar, zumal die Tochter deutlich den Wunsch geäußert habe, im Heim bleiben zu wollen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Dresden, Beschluss vom 07.08.2007, 20 UF 155/07

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge