Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsfreiheit. geschäftsführender Direktor einer monistisch organisierten europäischen Aktiengesellschaft (SE) und gleichzeitig Verwaltungsratsmitglied. Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmungen von § 1 S 3 SGB 6 und § 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3 für Mitglieder des Vorstandes einer AG

 

Leitsatz (amtlich)

Geschäftsführende Direktoren einer monistisch organisierten SE mit Sitz in Deutschland, die gleichzeitig dem Verwaltungsrat angehören, können sich ebenfalls auf § 1 S 3 SGB VI und § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III berufen und sind damit versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.07.2020; Aktenzeichen B 12 R 19/18 R)

 

Tenor

Die Bescheide der Beklagten vom 18.03.2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18.08.2016 werden aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger Ziff. 2 als Verwaltungsratsmitglied und geschäftsführender Direktor der Klägerin Ziff. 1 nicht der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Ziff. 2 in seiner Tätigkeit als geschäftsführender Direktor und Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin Ziff. 1 der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Bei der Klägerin Ziff. 1 handelt es sich um eine börsennotierte europäische Aktiengesellschaft mit Sitz in Stuttgart. Sie ist entstanden durch identitätswahrende formwechselnde Umwandlung der G. Aktiengesellschaft. Der Umwandlungsplan wurde am 27.04.2015 notariell beurkundet. Die Hauptversammlung der G. Aktiengesellschaft beschloss die Umwandlung am 23.06.2015. Die Eintragung erfolgte am 18.08.2015 (Bl. 4/5 der Verwaltungsakte Teil II ≪VA≫). Das Grundkapital beträgt 26.325.946 €. Gegenstand des Unternehmens ist insbesondere die Beratung und Erbringung von Leistungen im Bereich des Ingenieurwesens und der Informationstechnologie, die Entwicklung, die Herstellung oder Vertrieb von Software, sowie Beratungs- und Implementierungsleistungen, Training und Ausbildung und alle damit in Zusammenhang stehenden Leistungen.

Die Klägerin Ziff. 1 ist gemäß Art. 38, 43 ff. der Verordnung (EG) 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (im Folgenden: SE-VO) monistisch organisiert (§ 5 der Satzung). Mitglieder des Verwaltungsrates sind L., D. (Vorsitzender), B., D., L., W. und der Kläger Ziff. 2. Die sieben Verwaltungsratsmitglieder wurden am 23.06.2015 von der Hauptversammlung bestellt. Die Vertretung der Gesellschaft nach außen erfolgt durch die geschäftsführenden Direktoren (derzeit: L. und den Kläger Ziff. 2; § 18 der Satzung). Der Verwaltungsrat überwacht die geschäftsführenden Direktoren (§ 10 Abs. 2 der Satzung).

Der Kläger Ziff. 2 war - als die Klägerin Ziff. 1 noch eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts war - Mitglied des Vorstands der G. Aktiengesellschaft und stand in einem Dienstverhältnis zu der Gesellschaft. Er hält (nach Angaben der Klägerin Ziff. 1 im Verwaltungsverfahren) ca. 0,38 % der Aktien, ist freiwillig gesetzlich krankenversichert und verfügt über eine private Altersvorsorge. Gemäß der Regelung in § 7 Abs. 5 des Dienstvertrags vom 09.11.2015 (im Folgenden: DV) führt die Klägerin Ziff. 1 zu Gunsten des Klägers Ziff. 2 eine Kapital-Lebensversicherung als Altersversorgung (jährliche Einzahlungsleistung: 15.000 €). Nach § 1 II DV vertritt der Kläger als geschäftsführender Direktor die Klägerin Ziff. 1 mit einem weiteren geschäftsführenden Direktor oder einem Prokuristen der Klägerin Ziff. 1. Er erhält ein Jahresfestgehalt i.H.v. 300.000 € (§ 4 I DV). Darüber hinaus hat er Anspruch auf eine variable Vergütung (Zielbonus und Wertzuwachsbonus) in Höhe von max. 250.000 € (§ 4 II DV i.V.m. Anhang 1 und 2) sowie auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen (§ 5 DV). Im Krankheitsfall besteht ein Anspruch auf Fortzahlung der gesamten Vergütung (Jahresfestgehalt und Bonus) ungekürzt für den laufenden Monat und die folgenden zwölf Monate, längstens bis zum Ende des Vertrags (§ 7 I DV). Hinsichtlich der weiteren Regelungen wird auf Bl. 97 bis 115 der SG-Akte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 29.07.2015 (Eingang bei der Beklagten am 30.07.2015) wandte sich die Klägerin Ziff. 1 unter dem Betreff „Statusfeststellungsverfahren - Umwandlung in eine SE“ an die Beklagte und teilte mit, die Hauptversammlung der G. Aktiengesellschaft habe am 23.06.2015 die Umwandlung in die G. SE beschlossen. Anstelle von Aufsichtsrat und Vorstand träten der Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren. Die Eintragung im Handelsregister erfolge voraussichtlich im Monat August 2015. Als Folge der Umwandlung würden die derzeit aktiven Vorstandsmitglieder L., D. und der Kläger Ziff. 2 in der zukünftigen G....

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