Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. Richtgrößenüberschreitung. Einbehalt des festgesetzten Regresses von Gesamtvergütung durch Krankenkasse. Ablehnung einer Abtretungserklärung aufgrund bundesmantelvertraglicher Regelungen

 

Orientierungssatz

1. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 106 Abs 5c SGB 5 ist eine Kassenärztliche Vereinigung berechtigt, den gegenüber dem einzelnen Vertragsarzt festgestellten Regress aus einer Richtgrößenprüfung von der Gesamtvergütung einzubehalten. Da mit § 106 Abs 5c SGB 5 ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen den Arzt aus einer Richtgrößenprüfung in einen Schadensersatzanspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung umgewandelt wird, muss sie auch dann dafür eintreten, wenn es ihr nicht (mehr) möglich ist, den auf sie übergegangenen Anspruch gegen den Vertragsarzt geltend zu machen.

2. Mit den nach den bundesmantelvertraglichen Regelungen vorgesehenen Möglichkeiten des Abtretens einer Forderung an die Krankenkasse zur unmittelbaren Einziehung, wenn und soweit eine Aufrechnung nicht möglich ist, weil Honorarforderungen des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung nicht mehr bestehen, kann eine zwingende bundesgesetzliche Vorgabe zur Verringerung der Gesamtvergütung nicht umgangen werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.10.2015; Aktenzeichen B 6 KA 15/15 R)

 

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist eine von der Beklagten (gleichzeitig als Rechtsnachfolgerin für die GEK) im Jahr 2009 vorgenommene Kürzung der Gesamtvergütung um von der Prüfungsstelle/Wirtschaftlichkeitsprüfung festgesetzte und in Bestandskraft erwachsene Regresse im Rahmen der Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise von Arzneimitteln im Jahr 2005 streitig.

Mit Schreiben vom 06.01.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass aufgrund der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit eines Vertragsarztes (ANR: …) eine Verrechnung festgesetzter Regresse nicht mehr möglich sei und sie einen Betrag in Höhe von 474.473,05 € an die Beklagte abtrete.

Die Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Krankenkassen im Land Brandenburg kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 11.01.2010 an, dass die einzelnen gesetzlichen Krankenkassen nach § 106 Abs. 5c SGB V im Land Brandenburg die ihnen zustehenden Regressbeträge aus dem Verordnungsjahr 2005 mit der Gesamtvergütung aufrechnen werden. Die Abtretung werde nicht angenommen.

Mit Schreiben vom 02.02.2010 widersprach die Klägerin der angekündigten Aufrechnung der Regressbeträge aus dem Verordnungsjahr 2005 insbesondere für die Fälle, in denen ihr eine Verrechnung mit Honoraransprüchen nicht mehr möglich sei. Die Regelung des § 106 Abs. 5c SGB V stelle keine neue Form der Kollektivhaftung dar.

Mit Schreiben vom 26.04.2010 trat die Klägerin den sich aus der Richtgrößenprüfung 2005 festgesetzten Regress in Höhe von 1.156,06 € (Anteil GEK) und in Höhe von 9.055,82 € (Anteil BARMER) an die Beklagte ab, da die Ärztin (ANR: …) ihre Tätigkeit zum 30.07.2009 beendet habe und eine Verrechnung nicht mehr möglich sei.

Mit Schreiben vom 18.03.2013 erstellte die Klägerin die Jahresabrechnung für das Jahr 2009 und forderte von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der GEK eine Restzahlung von 29.785,99 €. Die Beklagte machte unter dem 09.04.2013 geltend, dass sich lediglich eine Restzahlung von 7.353,35 € ergebe. Hinsichtlich der geltend gemachten Regresse aus dem Jahr 2005 verbleibe sie bei ihrer Auffassung und verweigerte für das II. Quartal 2009 eine Nachzahlung in Höhe von 22.432,64 €.

Mit weiterem Schreiben vom 18.03.2013 machte sie gegenüber der Beklagten in der Jahresabrechnung für 2009 eine Nachforderung in Höhe von 217.947,21 € geltend, wovon die Beklagte 40.318,18 € zahlte. Im II. Quartal 2009 habe sie die bestandskräftigen Regresse aus der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2005 einbehalten.

Mit Schreiben vom 07.11.2013 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung weiterer 22.432,64 € (GEK) und weiterer 177.629,03 € (Beklagte) auf. Im November 2013 zahlte die Beklagte 51.817,03 € und im Februar 2014 16.401,95 € an die Klägerin. Bis zum 31.03.2014 verzichtete die Beklagte auf die Einrede der Verjährung.

Mit ihrer am 28.03.2014 vor dem Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 133.913,93 € zuzüglich Zinsen ab Rechtshängigkeit. Die Beklagte habe unter Verweis auf § 106 Abs. 5c SGB V Kürzungen der an die Klägerin auf der Grundlage gesamtvertraglicher Vereinbarungen zu zahlenden Gesamtvergütung des Jahres 2009 zu Unrecht vorgenommen. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung - Richtgrößen 2005 - sei gegen die Ärztin (ANR: …) mit Bescheid vom 14.11.2007 vom Prüfungsausschuss ein Regress in Höhe von 192.098,90 € festgesetzt worden. Im Fall des Arztes (ANR: …) sei mit Bescheid vom 05.12.2007 ein Regress in Höhe von 673.946,49 € festgesetzt worden. Bei beiden Ärzten sei eine Verrechnung mit laufenden Honorarabrechnungen nicht me...

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