Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Honorarbescheid. Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise von Sprechstundenbedarf. Rechtmäßigkeit eines Regresses. Anwendung der Verjährungsfrist. Fristbeginn

 

Orientierungssatz

1. Die Festsetzung eines Regresses betreffend die Verordnungsweise von Sprechstundenbedarf im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegt der Verjährung. Dafür spricht entscheidend der Umstand, dass sich die vom BSG entwickelte vierjährige Ausschlussfrist insbesondere aus dem Rechtsstaatsgebot des GG ergibt und damit allgemeine Gültigkeit in allen Prüfverfahren beansprucht.

2. Auch bei Verordnungsregressen beginnt die Vier-Jahres-Frist ab dem Erlass des Honorarbescheides, der dasjenige Quartal betrifft, dem die Verordnungen zuzuordnen sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.08.2010; Aktenzeichen B 6 KA 14/09 R)

 

Tenor

1. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.11.2006 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, über den Widerspruch der Beigeladenen zu 2. erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses betreffend die Verordnungsweise von Sprechstundenbedarf in den Quartalen 1/2001 bis 4/2001.

Der Kläger nimmt als Praktischer Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) teil.

Mit Schreiben vom 24.09.2002 beantragte die Beigeladene zu 2. die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise von Sprechstundenbedarf in den Quartalen 1/2001 bis 4/2001. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger nach Abzug von Impfstoffen und Hilfsmitteln für das komplette Jahr 2001 Sprechstundenbedarfskosten i.H.v. 19.661,29 DM abgerechnet habe. Es liege beim Fallwert eine Überschreitung von + 316,41 % gegenüber der Fachgruppe vor.

Der Kläger wurde über den Eingang dieses Antrages durch die Gemeinsame Prüfungseinrichtung der Vertragsärzte, Psychotherapeuten und Krankenkassen für den Bereich der KV Koblenz informiert. Gleichzeitig wurde dem Kläger mitgeteilt, dass das Verfahren zurückgestellt werde bis zur endgültigen Klärung, ob im Prüfzeitraum eine Richtgrößenprüfung stattfindet.

Der Kläger teilte mit, dass die Überschreitungen allein im Bezug von Hydroxyethylstärke (HAES) steril 6 %- Infusionen über Sprechstundenbedarf zur Hämodilutionsbehandlung begründet sei. Er wies darauf hin, dass Prüfverfahren deshalb bereits in der Vergangenheit gegenstandlos gewesen seien.

Mit Prüfungsbescheid vom 22.12.2005 beschloss der Prüfungsausschuss, dass keine Maßnahme gegen den Kläger erfolgt.

Der Prüfungsausschuss führte eine Prüfung nach Durchschnittswerten durch und stellte fest, dass die Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses lägen. Zu berücksichtigen sei aber, dass der Überschreitung beim Sprechstundenbedarf kausale kompensatorische Minderaufwendungen im Rahmen der allgemeinen Verordnungskosten gegenüberständen. Die Durchsicht der vorgelegten Sprechstundenbedarfsrezepte habe keine qualitativen oder quantitativen Auffälligkeiten ergeben. Die HAES-Infusionen seien mit 3.975,00 DM ursächlich für die Überschreitung beim Sprechstundenbedarf. Der Bezug von HAES-Infusionen in Großgebinden bringe erhebliche Einsparungen mit sich. Der angeforderte Sprechstundenbedarf stehe mit dem Leistungsspektrum der Praxis in Einklang und sei nicht zu beanstanden. In Anbetracht der Unterschreitung bei der Verordnung der allgemeinen Arznei- und Verbandmittel sei dem Kläger insgesamt kein unwirtschaftliches Verhalten vorzuwerfen.

Gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses legte die Beigeladene zu 2. Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie an, dass sich weder aus dem Prüfbescheid noch aus der Stellungnahme des Klägers nähere Angaben zur möglichen Indikation des Einsatzes der HAES-Infusionslösungen ergäben. Da die Behandlung mit HAES-Infusionen bei Indikationen wie akuter Hörsturz oder akuter Tinnitus bislang nicht durch entsprechende Studien wissenschaftlich belegt sei, sondern nur rein empirischen Charakter habe, sei im Einzelfall der therapeutische Nutzen unter Beachtung möglicher Risiken zu beurteilen. Ein Bezug von großen Mengen über das Maß der Akutversorgung hinaus sei im Rahmen der Sprechstundenbedarfsverordnung unwirtschaftlich, denn Mittel zur Therapie seien auf den Namen des Patienten zu verordnen. In früheren Verfahren sei diesbezüglich bereits ein Hinweis aufgenommen worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2006 gab der Beklagte dem Widerspruch der Beigeladenen zu 2. statt und änderte den Prüfungsbescheid ab. Es wurde eine unwirtschaftliche Therapie mit HAES-Infusionen festgestellt und ein Regress auf den Durchschnittswert der Vergleichsgruppe plus einer Überschreitungstoleranz von 45 % gegen den Kläger festgesetzt. Die Regresssumme betrug 3.799,75 €. Der Beklagte führte eine statistische Verglei...

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