Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 bei falscher Krankenhausabrechnung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Prüfung durch eine fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst worden sein könnte (Anschluss an LSG Mainz vom 6.8.2009 - L 5 KR 139/08; entgegen BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3).

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 100 € zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2007 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 100 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Aufwandspauschale.

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin wurde in der Zeit vom 24.05.2007 bis zum 29.05.2007 stationär von der Klägerin behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten mit Schreiben am 13.06.2007 hierfür einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.541,18 € in Rechnung.

Die Beklagte beauftragte darauf hin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz mit der Überprüfung des Falles unter der Fragestellung, ob eine Notwendigkeit für eine stationäre Behandlung bestand (primäre Fehlbelegung) und ob die untere Grenzverweildauer hätte unterschritten werden können (sekundäre Fehlbelegung). Die ebenfalls beauftragte Überprüfung der Prozeduren wurde zunächst nicht durchgeführt.

Der MDK kam in seiner Stellungnahme von 17.07.2007 zu dem Ergebnis, dass eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei und dass die untere Grenzverweildauer nicht unterschritten werden könne. Die stationäre Behandlung sei für drei von fünf Tagen nachvollziehbar. Es bestehe fachliche Übereinstimmung mit der Klägerin, dass die Verweildauer nicht in gesamter Länge medizinisch nachvollziehbar sei. Die Prozeduren sah der MDK als "nicht beauftragt" an.

Die Beklagte befragte den MDK am 24.07.2007 ergänzend, ob die Prozeduren sachgerecht codiert worden seien. Darauf hin teilte der MDK am 27.07.2007 mit, dass die Prozedur nicht korrekt codiert worden sei, auch hierzu bestehe fachliche Übereinstimmung. Die Prozedur sei von 5-800.0r:L (Offen chirurgische Revision eines Gelenkes: Arthrotomie: Zehengelenk) auf 5-788.15:L (Operationen an Metatarsale und Phalangen des Fußes: Köpfchen- oder Basisresektion: Grundgliedbasis Digitus II bis V) zu ändern. Am 25.05.2007 sei die Metallentfernung nach Umstellung am 3. Strahl und zusätzlich - wegen lokaler Schmerzen am 2. Strahl - eine Kondylektomie. Diese sei wie geändert zu codieren.

Eine Rechnungsminderung erfolgte hierauf nicht.

Die Beklagte verweigerte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 08.08.2007 die Zahlung einer Aufwandspauschale, da die Einleitung der Prüfverfahrens auf einer schuldhaften Pflichtverletzung der Klägerin zurückzuführen sei.

Die Klägerin stellte der Beklagten mit Schreiben vom 14.08.2007 eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 € in Rechnung. Die Beklagte verweigerte die Zahlung.

Die Klägerin erhob am 30.01.2012 Klage. Zur Begründung führt sie aus, dass die Beklagte die Prüfung durch den MDK zu Unrecht initiiert habe. Wie der MDK festgestellt habe, sei eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen, wobei eine Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer nicht in Betracht gekommen sei. Der Anfangsverdacht der Beklagten habe sich somit zerschlagen. Allein die Tatsache, dass hier gegebenenfalls nach Einschätzung des Gutachters die Aufenthaltsdauer um ein bis zwei Tage hätte verkürzt werden können, eigne sich nicht, um den Rechnungsbetrag zu kürzen. Insofern stehe fest, dass die MDK-Prüfung nicht zu einer Änderung der Abrechnung geführt habe und somit die Beklagte auch von Anfang an nicht berechtigt gewesen sei, eine MDK-Prüfung zu initiieren.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt Euro 100 zzgl. zwei vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz an Zinsen hieraus seit dem 31.08.2007 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die Klägerin die Aufwandspauschale nicht beanspruchen könne, da sie Anlass zur Prüfung gegeben habe. Sie beruft sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.06.2010 (Az. B 1 KR 1/10 R).

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands, insbesondere zum weiteren Vortrag der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Er war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben.

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 100 € zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei ...

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