Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsausgleichsverfahren. Abgrenzung: Wegeunfall - Arbeitsunfall. Unfall auf einem Betriebsgelände. Gesamtbetrachtung. keine Umzäunung. faktische Öffnung für den öffentlichen Verkehr. Zielort: Außentür des Mitarbeitereingangs

 

Orientierungssatz

1. Zur Einordnung eines Unfalls als Arbeitsunfall oder Wegeunfall sind die Grundsätze der Rechtsprechung zum häuslichen Bereich anwendbar.

2. Ereignet sich der Unfall eines Versicherten auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte bereits auf dem Betriebsgelände, so liegt dennoch ein Wegeunfall vor, wenn das Gelände nicht vom öffentlichen Verkehrsraum klar (etwa durch Umzäunung) abgegrenzt ist und für jedermann die Möglichkeit besteht, es zu betreten.

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 08.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2004 aufzuheben und die Klägerin neu zu bescheiden, ohne den Unfall des Mitarbeiters  D. vom 06.02.2003 als Unfallbelastung zu berücksichtigen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 13.860,53 Euro festgesetzt .

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Einordnung eines Unfalls als Arbeits- oder Wegeunfall als maßgebliche Frage im Beitragsausgleichsverfahren.

Die Klägerin ist Mitglied bei der Beklagten. Von dieser erhielt sie am 08.04.2004 einen Beitragsbescheid für das Jahr 2003. Der Bescheid schließt mit einer Nachforderung in Höhe von 49.216,92 Euro. Diese Nachzahlung beruht zum Hauptteil, in Höhe von 29.111,93 Euro auf einer Unfallneulast, die der Klägerin aufgrund des Unfalls des Mitarbeiters D. am 06.02.2003 auferlegt wurde. Im Beitragsausgleichsverfahren entspricht dies einer zu leistenden Nachzahlung von 7.858,81 Euro. Bei Nichtberücksichtigung des Unfalls hätte die Beklagte einen Nachlass von 6.001,72 Euro zu gewähren.

Der Mitarbeiter D. stürzte am 06.02.2003 morgens auf dem Weg zur Arbeit auf dem Betriebsgelände der Klägerin und erlitt eine Unterschenkelfraktur.

Herr D. hatte sein Auto in der  E. -Straße abgestellt und war über den Parkplatz von Seiten der  E. -Straße in Richtung Mitarbeitereingang unterwegs, als sich der Unfall wenige Meter vor dem Eingang ereignete.

Das Betriebsgelände der Klägerin ist an einer Seite zur   F.-Straße hin mit einem ca. 2m hohen Zaun vom öffentlichen Verkehrsraum abgetrennt. Eine Rampe führt dort hinunter zum Haupteingang.

An der Seite  E. -Straße ist das Gelände nicht umzäunt. Vielmehr geht der öffentliche Bürgersteig direkt in das Betriebsgelände über. Zudem befinden sich an der Seite  E. -Straße große Werkstore, an denen u.a. Post und kleinere Warensendungen angeliefert werden.

Die Beklagte vertrat im Widerspruchsbescheid vom 21.07.2004 die Ansicht, dass es sich bei dem Unfall um einen Arbeitsunfall handele, der nach § 162 SGB VII i.V.m. § 30 der Satzung der Beklagten voll im Beitragsbescheid zum Tragen komme.

Die Klägerin ist hingegen der Auffassung, dass es sich um einen Wegeunfall handele, der im Beitragsbescheid nicht hätte angerechnet werden dürfen. Ein Arbeitsunfall liege bei überschaubaren Werksgeländen ohne Werkstor erst dann vor, wenn das Betriebsgebäude betreten werde.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 08.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2004 aufzuheben und sie neu zu bescheiden, ohne den Unfall des Mitarbeiters D. vom 06.02.2003 als Unfallbelastung zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass das Betriebsgelände für den öffentlichen Verkehr nicht zugänglich sei, so dass es sich bei dem gesamten Betriebsgelände um den Ort der versicherten Tätigkeit handele. Die örtlichen Verhältnisse seien gerade so gestaltet, dass nicht jedermann das Gelände betreten oder sein Fahrzeug beliebig abstellen könne und würde. Bei den Ermittlungen im Verwaltungsverfahren hätte nicht festgestellt werden können, dass firmenfremde Fahrzeuge auf dem Betriebsgelände geparkt worden wären. Ein Privatgelände könne nur dann als öffentlicher Verkehrsraum qualifiziert werden, wenn tatsächlich eine allgemeine Benutzung der Verkehrsfläche vorliege und zusätzlich der Verfügungsberechtigte die Nutzung dulde.

Das Gericht hat zur Besichtigung der örtlichen Verhältnisse auf Anregung der Klägerin einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage auf dem Betriebsgelände der Klägerin durchgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen auf die Prozessakten und die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten sowie die Verwaltungsakten zum Unfall des Mitarbeiters D., die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neubescheidung, da der Bescheid vom 08.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2004 insoweit rechtswidrig war, als der Unfall des Mitarbeiters  D. im Zuschlagsverfahren Berücksichtigung gefunden hat. Die Klägerin i...

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