Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente. Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres. Rentenabschlag. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind nach § 77 SGB 6 auch für Rentenbezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres nach einem geminderten Zugangsfaktor, also mit Abschlag zu gewähren (entgegen BSG vom 16.5.2006 - B 4 RA 22/05 R = SozR 4-2600 § 77 Nr 2). Diese Auslegung verstößt nicht gegen Art 3 und 14 GG.
Orientierungssatz
wie hier: SG Saarbrücken vom 8.5.2007 - S 14 R 82/07, SG Köln von 12.4.2007 - S 29 (25) R 337/06, SG Altenburg vom 22.3.2007 - S 14 KN 64/07, SG Aachen vom 20.3.2007 - S 13 R 76/06, SG Aachen vom 9.2.2007 - S 8 R 96/06 und SG Bremen vom 21.11.2006 - S 8 RA 180/03; ähnlich: LSG Celle-Bremen vom 13.12.2006 - L 2 R 466/06 ER; wie das BSG: SG Lübeck vom 26.4.2007 - S 14 R 235/07, SG Lübeck vom 26.4.2007 - S 14 R 191/07, SG Lübeck vom 26.4.2007 - S 14 R 301/07, LSG Saarbrücken vom 9.2.2007 - L 7 R 40/06 und LSG Saarbrücken vom 9.2.2007 - L 7 R 61/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Neuberechnung seiner Rente.
Der am ... 1962 geborene Kläger bezieht auf Grund des Bescheides der Beklagten vom 7.10.2002 seit 1.4.2002 von der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die persönlichen Entgeltpunkte, die dieser Rente zugrunde liegen, sind nach einem um 0,048 auf 0,952 geminderten Zugangsfaktor berechnet, also mit einem Abschlag von 4,8 % versehen.
Am 20.9.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.5.2006 (B 4 RA 22/05 R, SozR 4-2600 § 77 Nr 2) die Neufeststellung der Rente ohne Abschläge.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.11.2006 mit der Begründung ab, der Rentenbescheid sei rechtmäßig. Die zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts sei in einem Einzelfall ergangen. Darüber hinaus könne die Beklagte ihm nicht folgen.
Auch der am 24.11.2006 erhobene Widerspruch des Klägers blieb im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 8.2.2007 mit im Wesentlichen gleicher Begründung erfolglos.
Gegen die Ablehnung seines Antrags im Bescheid vom 20.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2007 hat der Kläger am 14.2.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Neuberechnung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Abschläge begehrt. Er ist der Auffassung, dass die vorgenommene Kürzung rechts- und verfassungswidrig sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 7.10.2002 über die Rentengewährung und die Folgebescheide insoweit abzuändern, dass statt eines auf 0,952 geminderten Zugangsfaktors die Rente für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres unter Zugrundelegung von nach einem Zugangsfaktor von 1,0 berechneten persönlichen Entgeltpunkten festgestellt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig. Der Rentenbescheid sei rechtmäßig. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts stehe allein mit seiner Auffassung, bei vor Vollendung des 60. Lebensjahres bezogenen Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seien nach geltendem Recht keine Abschläge zulässig.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren sowie wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten über den Kläger (1 Band Rentenakten zur Rentenversicherungsnummer ...) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2007 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Rentenbescheides vom 7.10.2002.
Die Aufhebung von Verwaltungsakten ist in den §§ 44-49 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) geregelt. Diese Vorschriften treffen für die Aufhebung verschiedener Gruppen von Verwaltungsakten unterschiedliche Regelungen. Sie unterscheiden nach von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsakten (§§ 44, 45 SGB X), von Anfang an und weiterhin rechtmäßigen Verwaltungsakten (§§ 46, 47 SGB X) und Verwaltungsakten, in deren Entscheidungsgrundlage in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eine Änderung eintritt (§ 48 SGB X). § 49 SGB X schließlich trifft Sonderregelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung im Verfahren über Widerspruch oder Klage eines von dem Verwaltungsakt betroffenen Dritten. Innerhalb der Gruppen der von A...