Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1317: Polyneuropathie oder Enzephalopathie. Krankheitsbild. Nachweis im Vollbeweis. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1302: Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoff. Gärtnergehilfe

 

Orientierungssatz

Zur Nichtanerkennung von vielfältigen Erkrankungssymptomen des peripheren und zentralen Nervensystems eines Gärtnergehilfen infolge der Einwirkung von Pflanzenschutzmitteln als Berufskrankheiten BKV Anl 1 Nr 1317 und Nr 1302 mangels Nachweises der Krankheitsbilder im Vollbeweis.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, inwieweit eine Vielzahl von Erkrankungssymptomen des Klägers auf seine Tätigkeit als Gartenbaugehilfe mit Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln zurückzuführen und deshalb als Berufskrankheit (BK) im Sinne des § 9 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) anzuerkennen ist. Der Kläger begehrt eine BK nach der Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische), nach der Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogen-Kohlenwasserstoffe) und nach der Nr. 1307 (Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen) jeweils der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) oder eine Wie-BK i. S. d. § 9 Abs. 2 SGB VII.

Der 1969 geborene Kläger ist gelernter Gärtnergehilfe und arbeitete seit dem 1. September 1988 mit mehreren Unterbrechungen in verschiedenen Zierpflanzenbetrieben. Im Rahmen seiner Beschäftigung verrichtete er auch Pflanzenschutzarbeiten. Im Juli 2001 machte die Krankenkasse des Klägers bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch geltend. Anbei leitete sie der Beklagten die Ärztliche Anzeige des Nervenarztes Dr. C. vom 28. Juni 2001 über eine BK wegen Pestiziden zu. Darin gab der Arzt als Diagnose an:

Neuropathie, Myopathie, deutliche Leistungstörungen in Teilbereichen, deutliche Störungen der Glukose-Utilisation im PET.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens legte der Kläger bei der Beklagten einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin - Umweltmedizin Dr. D. vom 10. Januar 2002 (70) vor, der bei dem Kläger

MCS - Multiple Chemikaliensensitivität

diagnostiziert hatte.

Des weiteren legte der Kläger ein Ärztliches Gutachten der Arbeitsamtsärztin Dr. E. vom 4. April 2002 (90) vor. Diese hatte bei ihm folgende Erkrankungen diagnostiziert:

Chronisches Erschöpfungssyndrom mit Empfindungsstörungen der Hände und Muskelschwäche bei chronischer Überempfindlichkeit nach langjähriger toxischer Belastung während seiner beruflichen Tätigkeit als Gärtner (Sensibilisierungen gegenüber Schimmelpilzen, Insektiziden, Holzschutzmitteln, Latexhandschuhen), blaurote Verfärbungen beider Hände mit Hautekzemen bei Verdacht auf rheumatische Erkrankung.

Schließlich reichte der Kläger einen Bericht des Dr. F. vom 19. April 2002 (92) vor, in dem dieser

einen Verdacht auf Lupus erythematodes (L93.)

äußerte.

Die Beklagte forderte ihrerseits eine Arbeitsplatz-Expositionsanalyse bei ihrer Technischen Abteilung (TA) an. Diese kam in ihrer Stellungnahme vom 10. Januar 2002 (64) auf Grundlage der Aktenvorgänge, den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) vom 31. Oktober, 7. Dezember und 10. Dezember 2001 sowie den eigenen Erfahrungen zu dem Ergebnis, dass der Kläger in seinem gärtnerischen Berufsleben unzweifelhaft Kontakt zu verschiedenen Pflanzenschutzmitteln (PSM) gehabt habe; im Sinne der BK 1302 sei hier der Kontakt zu Bromethan zu nennen. Das Arbeitsverfahren, die Örtlichkeit und die geringe Häufigkeit der Anwendungen machten eine gefährdende Exposition gegenüber dem Wirkstoff jedoch nicht wahrscheinlich. Alle befragten Arbeitgeber hätten darauf hingewiesen, dass der Kläger stets die komplette Schutzausrüstung bei der Ausbringung von PSM verwendet habe. Ferner holte sie eine Auskunft des Marineamtes G. vom 26. Juni 2002 (95) ein, über die Stoffe, mit denen der Kläger während seines Wehrdienstes bei der Bundesmarine vom 1. Oktober 1990 bis 30. September 191 in Berührung gekommen war. Auf Wunsch des Klägers holte die Beklagte dann ein Gutachten bei dem Internisten - Nephrologie/Umweltmedizin - Prof. Dr. med. J. ein. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 14. Juni 2004 bei dem Kläger

Zustand nach Pestizidbelastung, Zustand nach Belastung durch ausgeprägte Phosphorverbindungen, Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe, Erkrankung durch organische Phosphorverbindungen, Verminderung der Abwehrlage, toxische Encephalopathie.

Daraus schlussfolgerte er, dass eine BK 1302, 1307 und 1317 vorliege und bewertete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 60 v.H. In seinem Gutachten bezog sich Prof. Dr. J. auf ein internistisch-rheumatologisches Fachgutachten des Priv.-Doz. Dr. med. H. vom 3. März 2003 (226). Dieser hatte bei dem Kläger folgende Diagnosen gestellt:

Oligosymptomatischer systemischer Lupus erythematodes mit niedriger Aktivität

Polydipsie bei ADH-Verminderung und normal...

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