Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung von Leistungen der Grundsicherung wegen fehlender Mitwirkung des Berechtigten

 

Orientierungssatz

1. Eine bewilligte Leistung kann nach § 66 Abs. 1 S. 1 SGB 1 entzogen werden, wenn der Begünstigte seinen Mitwirkungspflichten aus §§ 60 bis 62, 65 SGB 1 nicht nachkommt.

2. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 SGB 1 hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind.

3. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit eines Grundsicherungsberechtigten sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände nach § 12 Abs. 1 SGB 2 zu berücksichtigen.

4. Ein Guthaben, das der Grundsicherungsberechtigte im Wege der Vorerbschaft erhalten hat, ist verwertbar, weil dieser über das Guthaben verfügen kann. Die eigennützige Verwendung eines Erbschaftsgegenstandes stellt keinen Verstoß gegen eine wirksame Verpflichtung des Vorerben dar, sondern löst allein eine bedingte Ersatzpflicht aus.

5. Grundsätzlich kann die eigennützige Verwendung des Vorerben für diesen eine besondere Härte darstellen. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein. Weil der Vorerbe damit zu Lebzeiten keiner Wertersatzforderung des Nacherben ausgesetzt ist, ist das Vorliegen einer besonderen Härte in der Person des Vorerben zu verneinen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der am 00.00.1954 geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

Der Kläger ist der Sohn des im Jahr 2004 verstorbenen P E1. Mit notarieller Urkunde vom 11.08.2003 (Notar S D2 in N am Rhein) legte P E1 eine Verfügung von Todes wegen fest. Der Kläger wurde als einer der Erben eingesetzt. Bezüglich seines Erbanteils wurde der Kläger als Vorerbe eingesetzt. Nacherbe ist der Sohn des Klägers, D E1, geb. 00.00.1993. Der Nacherbfall tritt mit dem Tode des Vorerben ein.

Der Kläger stand im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Bei erstmaliger Antragstellung teilte der Kläger seine Vorerbschaft nicht mit. Im Rahmen eines automatisierten Datenausgleichs wurde dem Beklagten bereits 2008 erstmals gemeldet, dass dem Antragsteller Kapitalerträge aus Vermögen auf einem bis dahin nicht bekannten Konto bei der D Bank zuflossen. Bereits Dezember 2008 erklärte der Kläger, dass er das Konto treuhänderisch für die Erbengemeinschaft P E1 verwalte.

Im späteren Verlauf des Leistungsbezugs des Klägers thematisierte der Beklagte die Zinszahlungen auf den Namen des Klägers aus der Vorerbschaft erneut. Der Beklagte vermerkte ein Gespräch mit dem Kläger am 13.03.2014. Der Kläger habe mitgeteilt, als Vertreter der Erbengemeinschaft aufzutreten und dass er daher nicht vollumfänglich Auskunft geben könne. Sein Sohn sei Nacherbe, er selbst nur Vorerbe. Er würde sich strafbar machen, wenn er auf das Vermögen zugreifen würde. Auf dem Konto der D Bank gebe es wohl Wertpapiere über ca. 25.000,00 EUR zum Zeitpunkt der Wertpapierbewertung zum 05.04.2004.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 23.06.2014 vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom Juli 2014 bis Dezember 2014 in Höhe von 729,01 EUR monatlich bis zur Klärung der Vermögensverhältnisse.

Der Beklagte führte ein Kontoabrufersuchen durch. Der Kläger war Kontoinhaber bzw. Verfügungsberechtigter von Konten bei der T X, der Deutschen Q AG sowie der D Bank Aktiengesellschaft. Die Konten waren teilweise bereits aufgelöst, teilweise bestanden sie noch.

Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 31.10.2014 zur Mitwirkung auf. Der Kläger solle Nachweise über seinen Erbanteil, alle Vermögenswerte sowie über bestehende Verfügungsbeschränkungen zu den einzelnen Vermögenswerten einreichen. Die Leistung könne ganz oder teilweise entzogen werden, sofern und solange er nicht mitwirke und die Klärung des Sachverhalts dadurch wesentlich erschwert würde.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 14.11.2014 mit, er habe bereits am 13.03.2014 ausreichend bezüglich des Todesfalls seines Vaters mitgewirkt. Er habe Auskunft darüber erteilt, dass er als "Notgeschäftsführender Miterbe der Erbengemeinschaft P E1" bzw. als Vorerbe verfügungsbeschränkt sei. Er selber verfüge nur über ein Girokonto. Das Verwaltungskonto der Erbengemeinschaft sei auf seinen Namen angemeldet, da die Bank dies verlangt habe. Es sei ihm jedoch nicht gestattet, aus diesem Konto persönlichen Nutzen zu ziehen oder Auskünfte zu erteilen.

Der Beklagte entzog dem Kläger mit Bescheid vom 27.11.2014 die bewilligten Leistungen für den Zeitraum ab dem 01.12.2014. Der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Das Ermessen werde dahingehend ausgeübt, dass die Leistungen ganz entzogen würden. Im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler liege es, dass Leistungen nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit zu erbringen seien.

Der Kläger beantragte am 01.12.2014 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab Januar 2015.

Der Kläger wurde am 01.12.2014 persönlich beim Beklag...

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