Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.12.2021; Aktenzeichen B 14 AS 73/20 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei Kindern getrennt lebender Eltern deren Sozialgeld in der ständigen Bedarfsgemeinschaft zu kürzen ist, solange sie sich zur Ausübung des Umgangsrechts im Haushalt des anderen Elternteils aufhalten.

Die im März 2000 und im Februar 2003 geborenen Kläger beziehen in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer allein erziehenden Mutter laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Unter anderem bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 07.04.2014 für den Zeitraum von Mai 2014 bis Oktober 2014 neben den anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung für die Klägerin zu 1) Sozialgeld i.H.v. 296,00 EUR monatlich und für den Kläger zu 2) i.H.v. 261,00 EUR. Angerechnet wurde hierauf jeweils das Kindergeld von 186,00 EUR und beim Kläger zu 2) zusätzlich der diesem gewährte Unterhaltsvorschuss von 180,00 EUR. Die Mutter der Kläger erhielt neben der Regelleistung von 391,00 EUR den Mehrbedarf für Alleinerziehende i.H.v. 140,76 EUR.

Laut Schreiben vom 28.07.2014 stellte der Beklagte die Leistungen vorläufig ein und bat um Mitteilung, an welchen Tagen die Kläger sich zur Ausübung des Umgangsrechts beim Kindesvater aufhielten, der ebenfalls Leistungen nach dem SGB II bezog und für die Tage, an denen die Kläger sich bei ihm aufhielten, Leistungen für diese beantragt hatte.

Die Mutter der Kläger teilte hierzu mit, sie habe den Kindern jeweils Lebensmittel mitgegeben, und gab den Aufenthalt der Kläger bei ihrem Vater wie folgt an:

18.07.2014 ca. 17:00 Uhr, bis 10.08.2014 ca. 19:00 Uhr,

22.08.2014 ca. 17:00 Uhr bis 24.08.2014 ca. 19:00 Uhr,

05.09.2014 ca. 17:00 Uhr bis 07.09.2014 ca. 19:00 Uhr,

19.09.2014 ca. 17:00 Uhr bis 21.09.2014 ca. 19:00 Uhr,

03.10.2014 ca. 17:00 Uhr bis 15.10.2014 ca. 19:00 Uhr,

13.10.2014 ca. 17:00 Uhr bis 19.10.2014 ca. 19:00 Uhr,

31.10.2014 ca. 17:00 Uhr bis 02.11.2014 ca. 19:00 Uhr.

Der Beklagte nahm eine Neuberechnung der Ansprüche für die Monate August bis Oktober 2014 vor und erteilte unter dem 01.08.2014 einen Änderungsbescheid, mit dem die Leistungsbewilligung teilweise aufgehoben wurde, und zwar für August 2014 i.H.v. 225,85 EUR, für September 2014 i.H.v. 93,02 EUR und für Oktober 2014 i.H.v. 153,74 EUR. Von der Aufhebung betroffen war das Sozialgeld der Kläger sowie der Mehrbedarf für Alleinerziehende von deren Mutter bezogen auf die Tage, an denen die Kläger sich bei ihrem Vater aufgehalten hatten.

Die Kläger legten hiergegen vertreten durch ihre Mutter am 07.08.2014 Widerspruch ein, woraufhin der Beklagte hinsichtlich der Kürzung des Mehrbedarfs unter dem 21.11.2014 einen Abhilfebescheid erteilte. Die Kürzung für die genannten Monate betrug nunmehr bei der Klägerin zu 1) 203,25 EUR bzw. 155,28 EUR und 128,51 EUR und bei dem Kläger zu 2) 105,92 EUR bzw. 64,03 EUR und 106,83 EUR, bezogen auf die ursprüngliche Bewilligung. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 18.12.2014 als unbegründet zurück. Er vertrat die Ansicht, den Klägern stehe auch bei regelmäßigen Aufenthalten in zwei Bedarfsgemeinschaften monatlich insgesamt nur ein Anspruch für 30 Tage zu.

Hiergegen richtet sich die am 16.01.2015 bei Gericht eingegangene Klage, die zunächst von der Mutter der Kläger im eigenen Namen erhoben wurde, jedoch nach dem Inhalt der Klageschrift eindeutig für die Kläger.

Die Kläger sind der Auffassung, der Umstand, dass ihnen im Rahmen der mit ihrem Vater gebildeten temporären Bedarfsgemeinschaft Leistungen zuständen, dürfe nicht dazu führen, dass ihnen die Leistungen, die sie in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter erhielten, gekürzt würden. Schließlich komme es in dieser Bedarfsgemeinschaft auch bei ihrer Abwesenheit zu keinen Ersparnissen, denn Strom, Hausrat, Bekleidung und Lebensmittel, also alles, was durch die Leistungen abgedeckt werde, müsse weiter für sie vorgehalten werden. Durch die Reduzierung der Leistungen sei das Existenzminimum nicht mehr gesichert. In seiner Entscheidung vom 12.06.2013 (B 14 AS 50/12 R) habe das BSG festgestellt, dass eine Pflicht des umgangsberechtigten Elternteils zur vorrangigen Realisierung eines Anspruchs auf Weitergabe der gewährten Regelleistungen gegen den Elternteil, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt habe, nicht bestände. Hieraus sei zu folgern, dass ein Kind in jeder Bedarfsgemeinschaft seiner Elternteile einen Anspruch auf Leistungen habe, ohne dass bei dem anderen Elternteil die Leistungen entsprechend gemindert würden.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 01.08.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.11.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der die Kläger betreffenden Leistungsakten des Beklag...

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