Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.11.2017; Aktenzeichen B 3 KR 3/16 R)

 

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 11.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2007 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, das Produkt "Speedy-Duo 2" in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen und dies im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu übernehmen.

Der Streitwert wird auf 18.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufnahme eines von ihr hergestellten Produktes in das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Klägerin ist im Bereich der Entwicklung, Produktion und dem Vertrieb von Rollstuhlzuggeräten und Handbikes tätig.

Das Produkt "Speedy-Duo 2" ist ein Vorspann-/Einhängefahrrad für Rollstühle, das mit einem Handkurbelantrieb und einer elektronisch geregelten, elektromotorischen Servounterstützung ausgestattet ist. Der elektrische Zusatzantrieb für den Greifreifenrollstuhl wird mittels eines Kupplungssystems an den vorhandenen Rollstuhl selbständig vom Rollstuhlfahrer an- und abgekoppelt.

Die Klägerin hat am 31.07.2002 bei den Spitzenverbänden der Krankenkassen den Antrag auf Aufnahme des Produktes "Speedy-Duo" in das Hilfsmittelverzeichnis unter der Produktgruppe 18.99.05 gestellt. Im weiteren Verlauf des Antragsverfahrens wurde der Aufnahmeantrag mit Schreiben vom 15.02.2007 aktualisiert und umgestellt auf die durch die Klägerin inzwischen vertriebene Produktversion "Speedy-Duo 2". Hierbei handelt es sich nach Angaben der Klägerin um eine im Produktionsablauf übliche Weiterentwicklung des "Speedy-Duo". Die Unterschiede seien im Wesentlichen durch eine andere Schaltung und einen anderen Motor bedingt.

Der Antrag der Klägerin auf Aufnahme des Produktes "Speedy-Duo 2" wurde mit Bescheid der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 11.05.2007 abgelehnt. In der Begründung des ablehnenden Bescheides wurde ausgeführt, dass eine Aufnahme des Produktes "Speedy-Duo 2" in das Hilfsmittelverzeichnis nicht erfolgen könne, weil es sich bei dem von der Klägerin ursprünglich angemeldeten Produkt "Speedy-Duo" und der Nachfolgeversion "Speedy-Duo 2" um Vorspann-/Einhängefahrräder mit einem Handkurbelantrieb und elektronisch geregelter elektromotorischer Servounterstützung handele, die von den bestehenden Produktarten des Hilfsmittelverzeichnisses nicht erfasst seien. Bei der Produktgruppe 18.99.05 werde die erforderliche Antriebskraft vollständig durch den Elektroantrieb aufgebracht und nicht lediglich eine Antriebsunterstützung bewirkt. Das Produkt der Klägerin könne auch nicht in die Produktgruppe 18.99.08 aufgenommen werden, da bei den Produkten dieser Produktgruppe der Antrieb im Unterschied zu dem beantragten Produkt am Greifreifen angebracht sei. Das "Speedy-Duo 2" könne auch nicht in einer neuen Produktgruppe erfasst werden. Eine Leistungspflicht für Vorspannfahrräder mit elektromotorischer Servounterstützung komme wie bei Vorspann-/Einhängefahrrädern mit manuellem Handkurbelantrieb lediglich bei Produkten in Betracht, die für die Nutzung von Kindern bestimmt und geeignet seien. Hierüber habe die Klägerin keine Nachweise vorgelegt. Als Hilfsmittel seien grundsätzlich nur solche Gegenstände und Vorrichtungen zum Ausgleich einer Behinderung anzusehen, die erforderlich seien, damit der Versicherte die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erfüllen könne. Das Grundbedürfnis nach Fortbewegung und Mobilität umfasse nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur die Möglichkeit, Entfernungen zu überwinden, die ein gesunder Mensch üblicherweise zu Fuß zurücklege. Fahrradfahren gehöre grundsätzlich nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Bei Erwachsenen würden Fahrräder der Überwindung größerer Strecken, der schnelleren Fortbewegung oder dem Einsatz im Freizeitbereich dienen.

Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Diesen hat sie damit begründet, dass zum Nachweis der Voraussetzungen für eine Eintragung in des Hilfsmittelverzeichnis eine ordnungsgemäße CE-Kennzeichnung ausreiche. Hierüber verfüge das streitige Produkt. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Beschränkung einer etwaigen Zulassung auf bestimmte Personengruppen. Durch die Nichtaufnahme des Produktes werde der Zugang der Versicherten zu dem Hilfsmittel in Folge der marktsteuernden Wirkung erschwert. Dadurch werde sie in ihren Rechten verletzt.

Mit Widerspruchsbescheid der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 22.11.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde nochmals auf die Rechtsprechung des BSG Bezug genommen, wonach eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für Vorspannräder für Rollstühle ebenso wie für behindertengerechte Zwei- und Dreiräder grundsätzlich nur bei Fahrzeugen für Kinder bzw. Jugendlichen bestehen könne. Das BSG habe die Hilfsmitteleigenschaft von Rollstuhlbikes für Erwachsene verneint.

Am 28.11.2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ...

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