Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammentreffen von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. abgesenkter Freibetrag für das Beitrittsgebiet. Neufassung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a durch das RVNG. Rückwirkung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. In § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB 6) ist seit der Neufassung durch das zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 2004, 1791) ausdrücklich bestimmt, dass sich der Betrag einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung, der von der Anrechnung auf eine Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung freigestellt ist, nicht nur nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), sondern auch nach § 84a S 1 und 2 BVG richtet und damit bei dem von dieser Vorschrift erfassten Personenkreis auch nach der Absenkungsregelung in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a des Einigungsvertrages (EinigVtr).

2. Durch die in dem Urteil des BVerfG vom 14.3.2000 - 1 BvR 284/96 ua = BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 - erfolgte teilweise Nichtigerklärung ist die Absenkungsregelung in § 84a S 1 und 2 BVG iVm Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a EinigVtr nicht insgesamt hinfällig geworden. Sie hat vielmehr weiterhin einen Normtext behalten, der es dem Gesetzgeber ermöglicht anzuordnen, dass die Absenkungsregelung auf Vorschriften anzuwenden ist, die - wie § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 6 - eine Rechtsfolgenverweisung auf die Grundrente nach § 31 BVG enthalten (Abgrenzung zu BSG vom 7.7.2005 - B 4 RA 58/04 R = SozR 4-8855 § 2 Nr 2, B 4 RA 61/04 R und B 4 RA 11/05 R).

3. Die Neufassung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 6 durch das RVNG verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Dies gilt nicht nur für die Zeit ab dem Gesetzesbeschluss im Bundestag am 11.3.2004, sondern auch für die vorhergehende Zeit. Vor dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 10.4.2003 - B 4 RA 32/02 R = SozR 4-2600 § 93 Nr 2 - konnte schützenswertes Vertrauen in die darin entgegen der Verwaltungspraxis und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung erstmals entwickelte Auslegung der alten Fassung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 6 nicht entstanden sein. Aber auch nach deren Bestätigung im Urteil des 13. Senats des BSG vom 20.11.2003 - B 13 RJ 5/03 R = SozR 4-2600 § 93 Nr 3 - konnte aufgrund des erheblichen Begründungsaufwands in diesen Urteilen und der nach ihnen vielen verbliebenen Zweifelsfragen von einer klaren und sicheren Rechtslage noch nicht die Rede sein. Vielmehr musste eine Klärung durch den Gesetzgeber erwartet werden. Dabei durfte der Gesetzgeber berücksichtigen, dass die Rentenbezugszeiten vor dem Gesetzesbeschluss bereits mit bestandskräftigen Verwaltungsakten abschließend geregelt waren, in denen - entsprechend der Verwaltungspraxis der Rentenversicherungsträger - § 84a S 1 und 2 BVG im Rahmen der Freibetragsregelung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 6 angewandt worden waren.

4. Es ist nicht zu erkennen, dass § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 6 idF des RVNG gegen Art 14 Abs 1 oder Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes verstößt. Insbesondere enthält die Neufassung dieser Vorschrift keine doppelte Benachteiligung der unfallverletzten Rentner im Beitrittsgebiet. Auch entbehrt es keines Sachgrundes, wenn bei der Bestimmung des immateriellen Schadens nach dem Wohnsitz des Rentenberechtigten differenziert wird (Abgrenzung zu BSG vom 10.4.2003 - B 4 RA 32/02 R aaO).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen sind.

Der 1932 geborene Kläger hatte am 18.05.1990 seinen Wohnsitz im Beitrittsgebiet. Er bezieht seit dem 01.09.1967 eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. und seit dem 02.02.1991 eine weitere Verletztenrente aus der Unfallversicherung nach einer MdE von 25 v.H. Mit Bescheid vom 06.02.1995 gewährte ihm die Beklagte ab 01.01.1995 eine Altersrente. Bei der Rentenberechnung ergab sich unter Zugrundelegung von 54,3244 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten und 1,5071 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) aus der knappschaftlichen Rentenversicherung ab 01.01.1995 eine monatliche Rente von 1.997,03 DM. Hierauf rechnete die Beklagte Leistungen aus der Unfallversicherung folgendermaßen an: Von der monatlichen Rente aus der Rentenversicherung zog sie 15 v.H. des Anteils der knappschaftlichen Rentenversicherung und von den Verletztenrenten aus der Unfallversicherung jeweils den Betrag ab, der bei einer MdE von 25 v.H. als Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) geleistet worden wäre u...

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