Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 1. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2005 verurteilt, den Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 27,– EUR monatlich bis 21. Oktober 2005 und 14,– EUR ab 22. Oktober 2005 zu gewähren.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung eines Zuschlags wegen Verringerung des Alg II-Regelbedarfs.

Der Kläger hatte zuletzt am 21. Oktober 2004 Arbeitslosengeld nach dem SGB III in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 174,23 EUR bezogen. Nach anschließendem Arbeitslosenhilfebezug erhält er seit dem 1. Januar 2005 Alg II, das ihm und seiner Ehefrau für den Bewilligungsabschnitt Januar bis Mai 2005 in Höhe eines Gesamtbedarfs von 1.002,11 EUR monatlich gewährt worden war. Darin einbezogen ist der dem Kläger wegen einer Erkrankung mit Mehraufwendungen bewilligte Mehrbedarfszuschlag von 51,13 EUR monatlich.

Der gegen den Anfangs-Bewilligungsbescheid erhoben Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die fehlende Zuerkennung eines Zuschlags nach § 24 SGB II beanstandet hatte, war mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid abgelehnt worden: bei Gegenüberstellung des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes plus Wohngeld (14,– EUR) mit dem Gesamt-Zahlbetrag an die Bedarfsgemeinschaft des Ehepaares ergebe sich kein Differenzbetrag.

Am 19. Mai 2005 verstarb die Ehefrau des Klägers. Sein Folgeantrag für den Bewilligungsabschnitt Juni bis November 2005 wurde hinsichtlich der Grundleistungen entsprechend angepasst (345,– EUR Regelsatz plus 51,13 EUR Mehrbedarfszuschlag plus die Kosten der Unterkunft).

Ein Zuschlag wurde trotz Widerspruch des Klägers aber nicht gewährt. Nach Auffassung der Beklagten ist für die Berechnung des Zuschlags der erstmalige Eintritt der Hilfebedürftigkeit maßgebend (Widerspruchsbescheid vom 4. August 2005).

Am 19. August 2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Berlin Klage auf Zuerkennung des Zuschlags nach § 24 SGB II erhoben. Er macht geltend, die mit dem Tod seiner Ehefrau eingetretene Veränderung des Grundbedarfs müsse auch eine Neuberechnung des Zuschlags nach sich ziehen. Bei der Berechnung des Zuschlags sei der Mehrbedarfszuschlag für die Behinderung nicht einzurechnen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 1. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2005 dahingehend abzuändern, dass der Zuschlag nach§ 24 SGB II gewährt wird.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogene Leistungsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch begründet. Für den neuen Bewilligungsabschnitt Juni bis November 2005 hat der Kläger Anspruch auf den Zuschlag nach Arbeitslosengeld I-Vorbezug gemäß § 24 SGB II.

In § 24 SGB II ist nicht eindeutig geregelt, wie sich Veränderungen bei der Berechnung der laufenden Grundleistungen nach § 19 Nr. 1 SGB II auf die Berechnung des Zuschlags nach § 24 SGB II auswirken. Im Schrifttum wird diese Frage kontrovers beurteilt; neben der Ansicht, dass jede Veränderung des Grundbedarfs auch eine Veränderung des Zuschlags nach sich ziehe (so z. B. Rixen in Eicher/Spellbrink, § 24 Rdnr. 10) steht die auf die Begründung des Gesetzentwurfs gestützte Auffassung, wonach es „sinnvoll und zielführend ≪sei≫, den Zuschlag aus zwei Dritteln des Differenzbetrages auf die variablen Transferleistungen zum Zeitpunkt des Endes des Arbeitslosengeldbezuges auf der einen und zum Zeitpunkt des Bezuges von Arbeitslosengeld II auf der anderen Seite zu beschränken” (BT-Drucksache 15/1516, S. 58).

Während der erstgenannten Auffassung der Einwand eines hohen Verwaltungsaufwandes entgegensteht (so z. B. Müller in Hauck/Noftz, § 24 Rdnr. 12 b), führt die zweigenannte Auffassung zu willkürlichen und mit der Bedarfsorientierung des SGB II unvereinbaren Ergebnissen; so erhielte beispielsweise ein Ehepaar auch dann über die gesamte Bezugsdauer den Höchstzuschlag von 320,– EUR, wenn lediglich im ersten Monat nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit durch Ausübung eine Erwerbsarbeit ein minimaler Grundbedarf bestand.

Unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für den Wegfall der Versicherungsleistung Alg I ist die Fixierung auf den Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts der Hilfebedürftigkeit nach Beendigung des Alg I-Bezugs nicht zu begründen. Denn konstruktionsbedingt löst der Zuschlag nach § 24 SGB II eine sozialversicherungsrechtliche Ausgleichsfunktion nicht ein. Konträr dazu steht beispielsweise der mit Gegenüberstellung des Einzel-Alg I-Anspruchs zum Gesamt-Auszahlungsanspruch an die Bedarfsgemeinschaft eintretende Effekt, dass der Zuschlag umso höher ist, desto geringer durch Anrechnung von Partner- oder eigenem Einkommen der Auszahlungsanspruch an Alg II und Sozialgeld ist. Des Weiteren wird in die Berec...

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