Rz. 90

Im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 entstehen nur für den Antragsteller die gleichen Gebühren wie im Mahnverfahren nach der ZPO. Er erhält für den Antrag auf Erlass des Zahlungsbefehls die 1,0-Verfahrensgebühr nach VV 3305, die sich nach VV 3306 auf 0,5 ermäßigen kann.

 

Rz. 91

Legt der Schuldner Einspruch nach Art. 17 EuMVO ein, löst dies bereits eine 1,3-Gebühr nach VV 3100 aus.[76] Der Einspruch nach Art. 17 EuMVO ist nicht mit einem Widerspruch zu vergleichen, den die EuMVO nicht kennt; er führt ebenso wie der Einspruch nach § 700 ZPO bereits unmittelbar zur Einleitung des streitigen Verfahrens und ist daher ebenso zu vergüten wie der Einspruch gegen einen Strafbefehl. Das Europäische Mahnverfahren ist einstufig.[77] Der Erlass des Zahlungsbefehls ist die einzige in der EuMVO vorgesehene Sachentscheidung. Es gibt danach keinen "Europäischen Vollstreckungsbefehl". Wenn der Schuldner nicht rechtzeitig Einspruch einlegt, erklärt das Europäische Mahngericht den Zahlungsbefehl nach Art. 18 EuMVO für vollstreckbar. Aus ihm findet nach § 1093 ZPO ohne weiteres die Zwangsvollstreckung statt. Der Europäische Zahlungsbefehl ist in § 794 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, der Vollstreckungsbescheid in § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO als Vollstreckungstitel aufgeführt. Er erwächst in Rechtskraft.[78] Auch die Bezeichnung und Wirkungsweise des gegen den Europäischen Zahlungsbefehl einerseits und den Vollstreckungsbescheid andererseits vorgesehenen Rechtsbehelfs ist identisch. Beide werden vom Gesetz Einspruch genannt (Art. 16 Abs. 1 EuMVO einerseits, § 700 Abs. 1 i.V.m. § 338 ZPO andererseits). Der Einspruch gegen den Zahlungsbefehl führt nach § 1090 Abs. 2 ZPO wie der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid nach § 700 Abs. 3 ZPO ohne weiteres von Amts wegen zur Abgabe an das Streitgericht, wenn der Gläubiger nicht beantragt hat, in diesem Fall das Verfahren zu beenden (Art. 17 Abs. 1 EuMVO a.E.). Auch der Einspruch gegen den Zahlungsbefehl ist die notwendige aber auch hinreichende Bedingung für den Übergang in das streitige Verfahren. Ein anderer verfahrenseinleitender Antrag ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Anspruchsbegründung des Gläubigers kommt insoweit nicht in Betracht, da bei ihrem Eingang das Streitverfahren bereits rechtshängig ist (§ 1090 Abs. 3 ZPO), also nicht mehr eingeleitet werden kann.

 

Beispiel: Europäisches Mahnverfahren

Der Anwalt erwirkt für den Mandanten vor dem AG Berlin Wedding (§ 1087 ZPO) einen Europäischen Zahlungsbefehl über 10.000 EUR. Dagegen legt der Anwalt für den Antragsgegner Einspruch ein.

Für den Anwalt des Antragstellers entsteht eine 1,0-Verfahrensgebühr nach VV 3305. Der Anwalt des Antragsgegners erhält dagegen bereits die Gebühr nach VV 3100.

I. Anwalt des Antragstellers

 
1.

1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305

(Wert: 10.000,00 EUR)
  614,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 634,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   120,46 EUR
Gesamt   754,46 EUR

II. Anwalt des Antragsgegners

 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100

(Wert: 10.000,00 EUR)
  798,20 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 818,20 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   151,65 EUR
Gesamt   949,85 EUR
[76] OLG Nürnberg AGS 2010, 12 = NJW-Spezial 2010, 157.
[77] Thomas/Putzo/Hüßtege, § 1090 Rn 9.
[78] Musielak/Voit, ZPO, §§ 1087 ff. Vorbem. Rn 4.

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