Rz. 65

In sämtlichen verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten und in denjenigen sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten (§ 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 2), entsteht seit dem 1.8.2013 sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Nachprüfungsverfahren eine Geschäftsgebühr nach VV 2300. Die frühere Gebührenermäßigung im Nachprüfungsverfahren wegen Vorbefassung im Verwaltungsverfahren (VV 2301 a.F.) gibt es nicht mehr. Stattdessen ist nach Abs. 4 eine hälftige Anrechnung der zuvor entstandenen Geschäftsgebühr vorgesehen. Es darf nicht mehr als 0,75 angerechnet werden (VV Vorb. 2 Abs. 4 S. 1). Bis zu einer 1,5-Geschäftsgebühr ist also die Hälfte anzurechnen. Ein darüber hinausgehender Gebührensatz bleibt anrechnungsfrei.

 

Rz. 66

Soweit das Nachprüfungsverfahren einen geringeren Wert hat als das Verwaltungsverfahren, wird nur nach dem Wert des Gegenstands angerechnet, der auch in das Nachprüfungsverfahren übergegangen ist, Abs. 4 S. 3 (S. 4 a.F.).

 

Rz. 67

Der im Nachprüfungsverfahren gegebene geringere Umfang infolge der vorangegangenen Tätigkeit im Verwaltungsverfahren wird durch die Anrechnung berücksichtigt. Daher darf im Nachprüfungsverfahren der eventuell geringere Umfang durch die vorherige Einarbeitung nicht im Rahmen des § 14 Abs. 1 Gebühren mindernd berücksichtigt werden.

 

Rz. 68

Bis zum KostRÄG 2021 war dies in Abs. 4 S. 3 a.F. geregelt. Dennoch kam es in der Praxis immer wieder zu Problemen, weil Arbeitserleichterungen aufgrund einer Vorbefassung doppelt sowohl durch die Anrechnung als auch bei der Gebührenbemessung nach § 14 Abs. 1 berücksichtigt wurden. Um noch stärker zu verdeutlichen, dass Synergieeffekte bei einer Vorbefassung ausschließlich durch eine vorgeschriebene Anrechnung zu berücksichtigen sind, wurde ein neuer § 14 Abs. 2 eingeführt. Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen. Damit will der Gesetzgeber die Absicht betonen, dass die Synergieeffekte, die bei einer fortschreitenden Befassung eintreten, ausschließlich durch die vorgeschriebene Anrechnung berücksichtigt werden sollen. Die Bestimmung der Höhe der zweiten Gebühr soll so erfolgen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen. Diese Regelung bezieht sich damit auf sämtliche Bemessungsmerkmale des § 14 Abs. 1.[61]

 

Rz. 69

Durch die Umstellung auf eine "echte" Anrechnungslösung findet jetzt § 15a Abs. 3 (Abs. 2 a.F.) Anwendung, was sich insbesondere bei der Kostenerstattung auswirkt. Neben dem Mandanten profitiert der Anwalt vor allem in Beratungshilfesachen davon. Günstiger ist die Anrechnungslösung für den Anwalt auch dann, wenn die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren nur von geringem Umfang und die Gebühr daher entsprechend niedrig war. Auch im Falle der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe kann er nach § 126 ZPO insoweit den Erstattungsanspruch in eigenem Namen geltend machen und festsetzen lassen.

 

Rz. 70

Auch gegenüber der Rechtsschutzversicherung wirkt sich die Anrechnung günstiger aus als die frühere Regelung der ermäßigten Gebühren.

Für das Verwaltungsverfahren besteht grundsätzlich kein Versicherungsschutz. Dieser setzt frühestens im Widerspruchsverfahren ein. Während nach der früheren Regelung der Rechtsschutzversicherer bei einer Vorbefassung des Anwalts nur die Gebühr nach dem geringeren Rahmen (VV 2301 a.F.) erstatten musste, gilt jetzt auch für ihn § 15a Abs. 3 (Abs. 2 a.F.) mit der Folge, dass er die volle Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren zahlen muss, ohne sich auf die Anrechnung berufen zu können.

[61] BT-Drucks 19/23484, S. 76.

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