Rz. 86

Zahlt der Auftraggeber den angeforderten Vorschuss nicht, darf der Anwalt grundsätzlich seine weitere Tätigkeit einstellen.[55] Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts kann allerdings im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen, etwa bei widersprüchlichem eigenen Verhalten.[56]

 

Rz. 87

Der Anwalt muss die Einstellung seiner Tätigkeit grundsätzlich ankündigen. Hat er nicht angekündigt, seine Tätigkeit bei Ausbleiben des Vorschusses einzustellen, so muss er unaufschiebbare und fristwahrende Handlungen noch vornehmen. Das gilt erst recht, wenn der Anwalt den Vorschuss zur Unzeit angefordert hat.

 

Beispiel: Der Anwalt fordert in einer Strafsache erst zwei Tage vor dem Hauptverhandlungstermin einen Vorschuss an. Er darf die Vertretung der Hauptverhandlung nicht vom Eingang des Vorschusses abhängig machen.

 

Rz. 88

Dem Auftraggeber muss genügend Zeit bleiben, den Vorschuss beizubringen. Dies gilt umso mehr, als der Anwalt bereits zu Beginn des Mandates oder sogar vor Beginn einen Vorschuss verlangen kann und damit nicht abzuwarten braucht, bis ein Termin ansteht oder eine Frist abzulaufen droht. Dies ergibt sich letztlich aus § 320 BGB. Stellt der Anwalt seine Tätigkeit ein, weil der Vorschuss nicht eingeht, dann macht er ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB geltend. Ein solches Zurückbehaltungsrecht darf nicht zur Unzeit ausgeübt werden.[57] Eine solche Unzeit liegt vor, wenn für den Auftraggeber dadurch die Gefahr besteht, Fristen zu versäumen, weil keine angemessene Zeit zur Leistung des Vorschusses mehr bestand. Dem Auftraggeber muss jeweils eine ausreichende Gelegenheit verbleiben, seine Rechte noch selber wahrzunehmen oder einen anderen Anwalt zu beauftragen.[58]

 

Rz. 89

Der Anwalt ist auch berechtigt, das Mandat zu kündigen, wenn der angeforderte Vorschuss nicht eingeht. Die bis dahin ausgelösten Gebühren werden mit Kündigung des Mandats fällig (§ 8 Abs. 1). Der Anwalt verliert in diesem Fall auch nicht nach § 628 Abs. 1 S. 2 BGB einen Teil seiner Vergütung, sondern kann diese in voller Höhe verlangen, unter Umständen sogar Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB.

 

Rz. 90

Der Anwalt darf auch von vornherein die Annahme des Mandates von der vorherigen Zahlung eines Vorschusses abhängig machen. Das Mandat kommt dann erst mit Eingang des Vorschusses zustande (§ 158 BGB).

[55] OLG Hamm RVGreport 2011, 238; OLG Karlsruhe BRAK-Mitt 1989, 115.
[56] OLG Hamm RVGreport 2011, 238.
[57] OLG Karlsruhe BRAK-Mitt 1989, 115; Gerold/Schmidt/Mayer, § 9 Rn 19.
[58] OLG Karlsruhe BRAK-Mitt 1989, 115; Gerold/Schmidt/Mayer, § 9 Rn 19.

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