aa) Anwendbarkeit und Anspruchsgrundlage
Rz. 82
Die systematische und historische Auslegung des § 49b Abs. 5 BRAO belegt, dass die dort statuierte Hinweispflicht zunächst berufsrechtlicher Natur ist (siehe Rdn 51). Der primär berufsrechtliche Regelungsgehalt der Norm schließt indes nicht aus, dass dem Auftraggeber infolge der Verletzung der anwaltlichen Hinweispflicht ein materiell-rechtlicher Schaden entsteht. Dann muss der Mandant aber auch die Möglichkeit haben, gegen den von ihm beauftragten Rechtsanwalt einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Das Berufsrecht entfaltet dabei im Hinblick auf die zivilrechtlichen Haftungsansprüche des Auftraggebers keine Sperrwirkung. Auch für andere Grundpflichten des Rechtsanwalts ist anerkannt, dass deren Verletzung Haftungsansprüche des Auftraggebers auslösen kann, beispielsweise für die Verletzung der in § 43a Abs. 5 BRAO, § 4 BORA geregelten Pflichten beim Umgang mit fremden Vermögenswerten.
Rz. 83
Die richtige Anspruchsgrundlage gibt der Wortlaut des § 49b Abs. 5 BRAO mittelbar vor. Danach hat der Anwalt seinen Hinweis "vor" der Übernahme des Auftrags zu erteilen. Unterlässt er dies, hat er eine Pflichtverletzung im Stadium der Vertragsverhandlungen, mithin vor Abschluss des Mandatsvertrages, begangen. Etwaige Schadensersatzansprüche des Auftraggebers richten sich daher nach den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB (c.i.c.).
bb) Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB
(1) Vorvertragliches Schuldverhältnis
Rz. 84
Der zeitliche Anwendungsbereich eines Schadensersatzanspruchs nach den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB ist mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen, der Anbahnung eines Vertrages oder ähnlicher geschäftlicher Kontakte eröffnet (vgl. § 311 Abs. 2 BGB). Diese Voraussetzung wird in dem für die Erteilung des Hinweises maßgeblichen Zeitpunkt (siehe Rdn 71 ff.) regelmäßig erfüllt sein. Nach der Aufnahme von Vertragsverhandlungen zwischen dem Anwalt und seinem Auftraggeber – also im Regelfall mit dem zwischen Anwalt und potentiellem Auftraggeber geführtem Erstgespräch – ist regelmäßig ein Schuldverhältnis i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB entstanden.
(2) Pflichtverletzung
Rz. 85
Auch die Geltendmachung einer anwaltlichen Pflichtverletzung wird den Auftraggeber in einem Schadensersatzprozess vor keine Probleme stellen. Den Rechtsanwalt treffen bereits im Stadium der Vertragsverhandlungen zivilrechtliche Aufklärungspflichten, die sich auch auf das für den Mandanten bestehende Kostenrisiko erstrecken können. § 49b Abs. 5 BRAO statuiert eine spezielle vorvertragliche Hinweispflicht nunmehr ausdrücklich. Diese Vorschrift verpflichtet den Anwalt auch zivilrechtlich; er hat die Belehrung nach § 49b Abs. 5 BRAO zur Vermeidung etwaiger Haftungsansprüche daher ungefragt zu erteilen. Die berufs- und zivilrechtliche Pflichtenstellung des Anwalts ist insoweit identisch, zumal die Hinweispflicht neben ihrer berufsrechtlichen Intention auch dem Schutz der Dispositionsfreiheit des Mandanten dient (siehe Rdn 52).
(3) Verschulden
Rz. 86
Verteidigungsmöglichkeiten de...