a) Allgemeines

 

Rz. 23

Die Bestimmung der Gebühr im Einzelfall richtet sich nach den Kriterien des Abs. 1. Die dort aufgeführten sechs Merkmale sind nicht abschließend, erfordert doch die Bestimmung nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift die Berücksichtigung aller Umstände. Auch in Abs. 1 nicht explizit genannte Umstände können daher bei der Bestimmung der Gebühr berücksichtigt werden. Wie die Verwendung der Worte "vor allem" – im Gegensatz zu der Formulierung der Vorgängernorm des § 12 BRAGO ("insbesondere") – verdeutlicht, haben diese unbenannten Umstände eine potentiell geringere Bedeutung als die Kriterien, die in Abs. 1 genannt sind.[10]

 

Rz. 24

Gegenüber § 12 BRAGO ist auch die Reihenfolge der einzelnen Kriterien des Abs. 1 S. 1 umgestellt worden. Materiell-rechtliche Änderungen sind damit nicht verbunden. Die Umplatzierung der Merkmale des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit an die erste Stelle sollte jedoch zum Ausdruck bringen, dass auf diesen Kriterien ein Bemessungsschwerpunkt liegt.[11] Die Auffassung, dass die angemessene Gebühr zunächst ausschließlich nach Umfang und Schwierigkeit zu bemessen ist und den übrigen Merkmalen des Abs. 1 in einem zweiten Prüfungsschritt lediglich die Funktion eines Korrektivs zukommt, dürfte indes zu weit gehen.[12] De facto mag sich die Bemessung in vielen Fällen dergestalt vollziehen; für eine gebührenrechtliche "2-Stufen-Theorie" dieses Inhalts findet sich in Abs. 1 indes kein Anhalt. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die im Referentenentwurf zum 2. KostRMoG vorgesehene Vorrangstellung der Kriterien "Umfang" und "Schwierigkeit" letztlich nicht in den Gesetzestext übernommen wurde.

 

Rz. 25

Die Bemessungskriterien gelten grundsätzlich für sämtliche Gebühren, also sowohl für Satz- als auch für Betragsrahmengebühren, für die angemessene Gebühr und die Vergütung nach § 34 Abs. 1 S. 2 RVG i.V.m. § 612 BGB (siehe Rdn 19).

 

Rz. 26

Generelle Erwägungen haben bei der Gebührenbestimmung unberücksichtigt zu bleiben. Insbesondere muss der Anwalt nach Abs. 1 seine Gebühren nicht schon deshalb niedriger bemessen, weil es sich bei bestimmten Tätigkeiten generell um Angelegenheiten von geringerer Bedeutung handelt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldsachen und die (zivilrechtlichen) Verkehrsunfallsachen zu nennen.

 

Rz. 27

Während unter Geltung des § 105 BRAGO straßenverkehrsrechtliche Bußgeldverfahren im Hinblick auf die im Regelfall verhältnismäßig geringen Geldbußen von der überwiegenden Meinung generell als gebührenrechtlich unterdurchschnittlich eingestuft wurden, wird dies seit Einführung des RVG vermehrt kritisiert. Insbesondere das AG Viechtach vertritt die Ansicht, dass nicht pauschal von einer unterhalb der Mittelgebühr liegenden Gebühr ausgegangen werden könne. Ausgangspunkt für die Festsetzung der Vergütung des Verteidigers sei vielmehr die jeweilige Mittelgebühr. Sodann müssten zur Bestimmung der Gebühren alle Umstände des Falles berücksichtigt werden.[13] Nach anderer Ansicht ist neben den Kriterien des § 14 und dem Maße der Mitwirkung der Verteidigung die Höhe der Geldbuße ein entscheidendes Kriterium für die Bewertung.[14] Nach einer dritten Ansicht schließlich sind verkehrsrechtliche Bußgeldverfahren auch unter Geltung des RVG grundsätzlich als unterdurchschnittlich einzustufen. Die pauschale Bejahung einer Mittelgebühr für den Fall, dass ein Fahrverbot oder Eintragungen in das Verkehrszentralregister in Frage stünden, sei unzulässig.[15] Eine Ausnahme wird nur dann anerkannt, wenn das Fahrverbot bzw. etwaige Punkte für den Betroffenen eine größere Bedeutung haben als für andere Kraftfahrer – beispielsweise weil er als Taxifahrer existenziell auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist.

 

Rz. 28

Der ersten Meinung, wonach die Mittelgebühr der maßgebliche Anknüpfungspunkt ist und allein die geringe Höhe der Geldbuße keine generelle Bewertung der Angelegenheit als unterdurchschnittlich zu rechtfertigen vermag, ist zu folgen. Dies gilt schon aus dem Grunde, dass die Höhe einer Geldbuße in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren regelmäßig nicht viel über die Bedeutung der Angelegenheit aussagt. Denn Geldbußen sind hier von Gesetzes wegen im unteren Bereich angesiedelt, da sich der Höchstbetrag nach § 17 Abs. 1 OWiG auf 1.000 EUR beläuft, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass VV Teil 5 für Bußgeldsachen bereits eigenständige, zum Teil niedrigere Gebührenrahmen enthält, die jedenfalls mit dem Pauschalargument der geringeren Bedeutung nicht erneut reduziert werden dürfen. Diese Methode verstieße gegen das "gebührenrechtliche Doppelverwertungsverbot".[16]

Der eher dogmatische Streit, ob in verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren generell an die Mittelgebühr als Ausgangspunkt anzuknüpfen ist oder an eine geringere Gebühr, hat im konkreten Fall auch nur recht begrenzte Auswirkungen. Denn es wird nur wenig zur Überzeugungsbildung des Gerichts beitragen, eine Vielzahl von Ent...

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