Leitsatz (amtlich)

1. Ein Tierarzt, der von einem Pferdekäufer beauftragt wird, eine tierärztliche Ankaufsuntersuchung durchzuführen und dabei unter Verletzung der tierärztlichen Sorgfaltspflicht einen Viehmangel nicht feststellt oder nicht nennt, haftet dem Käufer gegenüber nicht als Gesamtschuldner neben dem sachmangelhaftungspflichtigen Viehverkäufer auf Schadenersatz.

2. Den Käufer trifft die Schadenminderungspflicht, einen ihm gegen den ankaufsuntersuchenden Tierarzt ggf. bestehenden Vermögensschadenersatzanspruch dadurch abzuwenden, dass er seine Sachmangelansprüche gegen den Viehverkäufer durchsetzt.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 249, 254, 280, 421, 427, 634

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 25.06.2010; Aktenzeichen 2 O 16/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.12.2011; Aktenzeichen VII ZR 136/11)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des zweiten Rechtszugs.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von dem beklagten Tierarzt mit der Behauptung mangelhaft durchgeführter Ankaufsuntersuchung eines Pferdes die Zahlung von Schadensersatz.

Am 24.9.2008 kaufte sie von Frau T.-B. zum Preis von 2.000 EUR die Stute "L." (jetzt: "L."). Der Beklagte hatte im Auftrag der Klägerin zuvor am 8.9.2008 eine Ankaufsuntersuchung durchgeführt. Im Untersuchungsprotokoll war dazu u.a. vermerkt:

Verhalten: lebhaft, Atemruhefrequenz: 18/Minute, Palpation des Rückens: erhöhte Drucksensibilität BWS/LWS, Bewegungsapparat/Ruheuntersuchung/Sehnen/Muskeln: verändert, schwach bemuskelt.

Etwa drei Wochen nach Abschluss des Kaufvertrages stellte die Tierärztin L. eine geringgradige Lahmheit hinten rechts, eine Taktunsauberkeit vorne links und eine atrophische Rückenmuskulatur, die auf Druck schmerzhaft sei, fest. Der Tierarzt Dr. Be. bescheinigte für den 8.5.2009 eine spontane Lahmheit vorn rechts und typische Symptome einer RAO (recurrent airway obstruction).

Auf das in dem gegen die Verkäuferin gerichteten Beweissicherungsverfahren 32 H 13/09 (AG Neumünster) erstattete Sachverständigengutachten wandte die Verkäuferin Mangelkenntnis der Käuferin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein. Gewährleistungsansprüche gegen die Verkäuferin verfolgte die Klägerin daraufhin nicht weiter.

Die Klägerin behauptet u.a., die gesundheitlichen Probleme des Pferdes hätten bereits im Zeitpunkt der Ankaufsuntersuchung vorgelegen. Diese seien vom Beklagten nicht erkannt worden. Infolgedessen - so meint sie - habe der Beklagte ihr Schadensersatz, u.a. bestehend aus dem Kaufpreis, Behandlungs-, Unterstell- und Berittkosten sowie die Kosten des gegen die Verkäuferin gerichteten Beweissicherungsverfahrens zu tragen.

Sie hat dazu in erster Instanz beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 8.225,77 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.11.2009 Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an der Stute L 8 Lebensnummer ... zu zahlen,

2. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Abnahme der Stute L 8 in Annahmeverzug befindet,

3. festzustellen, dass der Beklagte bis zur Übergabe der Stute L 8 verpflichtet ist, die Futter- und Unterhaltungskosten zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Dazu hat er u.a. behauptet, die von der Klägerin vorgebrachten Erkrankungen des Pferdes seien im Zeitpunkt der Ankaufsuntersuchung nicht vorhanden gewesen. Er meint, es hafte vorrangig die Verkäuferin aus Gewährleistungsrecht.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil Ansprüche gegen den beklagten Tierarzt gegenüber den kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen nachrangig seien. Wegen der näheren Gründe wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und trägt u.a. vor, Gewährleistungsansprüche gegen die Verkäuferin würden schon deshalb nicht bestehen, weil sie, die Klägerin, im Zeitpunkt des Kaufvertrages Mangelkenntnis i.S.v. § 442 BGB gehabt habe.

Sie beantragt,

1. unter Abänderung des am 25.6.2010 verkündeten Urteils des LG Kiel zum Az.: 2 O 16/10 den Beklagten zu verurteilen, an sie 8.225,77 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.11.2009 Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an der Stute L 8 Lebensnummer ... zu zahlen,

2. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Abnahme der Stute L 8 in Annahmeverzug befindet,

3. festzustellen, dass der Beklagte bis zur Übergabe der Stute L 8 verpflichtet ist, die Futter- und Unterhaltungskosten zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze verwiesen. Der Senat hat die Parteien persönlich angehört und die Zeugin J. in der mündlichen Verhandlung vernommen.

II. Die Berufung ist nicht begründet. Denn der Klägeri...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge