Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, §§ 697, 839; JVEG § 23 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; StPO § 94

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.05.2019; Aktenzeichen III ZR 6/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 05.05.2017 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 142,00 EUR festgesetzt.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt das beklagte Land auf Schadensersatz in Anspruch. Sie meint, dass die Ermittlungsbehörden des Landes Pflichten verletzt hätten, die ihnen nach Aufhebung einer Beschlagnahme oblegen hätten.

Im Zuge von Ermittlungen gegen den Ehemann der Klägerin beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Aktenordner, eine Uhr und ein Feuerzeug aus dem Eigentum der Klägerin, die bei einem Lagerunternehmen und in einem Bankschließfach auf der Insel X aufbewahrt worden waren. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Freigabe angeordnet hatte, holte die Klägerin, die auf X wohnte, die Gegenstände in F bei der dortigen Polizeidirektion ab. Zuvor hatte sie vergeblich die Staatsanwaltschaft zur Verbringung der Gegenstände nach X aufgefordert.

Die Klägerin hat mit der Klage die Fahrtkosten in Höhe von 152,40 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wegen der Fahrten nach F geltend gemacht. Sie ist der Ansicht, das beklagte Land sei verpflichtet gewesen, die Gegenstände nach X zu bringen, da sie nicht Beschuldigte des Strafverfahrens gewesen sei. Von ihr die Abholung der Gegenstände in F zu verlangen, sei unverhältnismäßig, da die Polizei im Dienstgeschäft regelmäßig Gegenstände nach X transportiere.

Das Landgericht, das die Berufung zugelassen hat, hat das beklagte Land im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Lediglich hinsichtlich der Höhe der Fahrtkosten hat es eine geringere Kilometerentschädigung zu Grunde gelegt und die Klage soweit abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das beklagte Land Pflichten aus der öffentlich-rechtlichen Verwahrung verletzt habe, indem es die beschlagnahmten Gegenstände der Klägerin nicht an ihrem Wohnort zur Verfügung stellte. Die Beschlagnahme einer Sache, die nicht dem Beschuldigten gehöre, sondern einem Dritten, greife dann in unverhältnismäßiger Weise in dessen Eigentumsgrundrecht ein, wenn der Dritte die Sache auch noch auf eigene Kosten zurückholen müsse. Für diese Bewertung spreche vor allem der Vergleich mit dem Fall, dass der Eigentümer zugleich Beschuldigter sei. Weil dem Beschuldigten dann die Kosten, die ihm durch das Zurückholen seiner Sachen entstehen, nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) ersetzt würden, könne jemand, der wie die Klägerin noch nicht einmal Beschuldigter gewesen sei, also erst recht keinen Anlass für die Beschlagnahme gegeben habe, nicht schlechter gestellt werden.

Gegen die Verurteilung wendet sich das beklagte Land mit der Berufung. Es beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach im Rahmen eines Verwahrungsverhältnisses eine Holschuld vorliege. Das StrEG sehe für Beschuldigte keine Entschädigung für die Abholung von Gegenständen vor.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung Urteils des Landgerichts Flensburg die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

II. Die Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.

1. Die Staatsanwaltschaft hat keine Pflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis verletzt, indem sie den Rücktransport der beschlagnahmten Gegenstände zum Wohnort der Klägerin verweigerte. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 688, 697 BGB in entsprechender Anwendung besteht deshalb nicht. Gleiches gilt für einen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG.

Zwar bestand aufgrund der strafprozessualen Beschlagnahme ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis, auf das die zivilrechtlichen Vorschriften über die Verwahrung entsprechend anwendbar sind (vgl. BGH NJW 2005, 988, 989). Danach war das beklagte Land zur Rückgabe verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist es durch Herausgabe der Gegenstände in F indessen nachgekommen. Eine Verpflichtung, diese auch nach X zu bringen, bestand dagegen nicht. § 697 BGB bestimmt nämlich ausdrücklich, dass hinterlegte Sachen an dem Ort zurückzugeben sind, an welchem sie aufzubewahren waren. Der Verwahrer ist nicht verpflichtet, die Sache dem Hinterleger zu bringen. Dies gilt auch für beschlagnahmte Gegenstände (vgl. BGH am an...

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