Leitsatz (amtlich)

Wenn eine Gemeinde die Baugrundstücke in einem Neubaugebiet, die ihr oder dem Erschließungsträger gehören, nur dann veräußert, wenn die Käufer sich zum Fernwärmebezug verpflichten, liegt darin eine wettbewerbs- und kartellrechtlich anstößige Behinderung des freien Leistungswettbewerbs (der Energielieferanten) unter dem Gesichtspunkt des Mißbrauchs der hoheitlichen Sonderstellung der Kommune.

 

Orientierungssatz

Grundstücksverkauf durch Gemeinde mit privatrechtlichen Anschluß- und Benutzungszwang für Fernwärmeanlage.

 

Normenkette

UWG § 1; GWB §§ 33, 20 Abs. 4-5

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 14 O Kart 125/99)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.07.2002; Aktenzeichen KZR 30/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. November 1999 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel (14 O Kart 125/99) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung von 100.000 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer wird auf über 60.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger vertritt satzungsgemäß die wettbewerblichen Interessen seiner Mitglieder, der Brennstoff- und Mineralölhändler Norddeutschlands (§ 2 Abs. 2 der Satzung vom 01.01.1993 – Blatt 30 ff –). Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen eine behauptete Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition seiner Mitgliedsunternehmen auf dem Markt für Energieversorgungsleistungen im Gebiet der Gemeinde B… und begehrt Unterlassung und Beseitigung der behaupteten Beeinträchtigung.

Die Beklagte ist Trägerin der Bauleitplanung nach dem Baugesetzbuch im Gebiet der Gemeinde (ca. 3.300 Einwohner). Sie hat unter Einbringung öffentlicher Haushaltsmittel zusammen mit der H GmbH die Gas- und Wärmedienst GmbH (im Folgenden … GmbH) gegründet, die unter der Adresse des Rathauses firmiert und das Gebiet der Gemeinde – einschließlich der dortigen Neubaugebiete – mit Erdgas versorgt. 60 % des Stammkapitals der GWB GmbH von 1,4 Millionen DM hält die Beklagte. Die GWB GmbH betreibt ein im Oktober 1998 eingeweihtes, auf dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung beruhendes gasbetriebenes Blockheizkraftwerk für das Neubaugebiet … in der Gemeinde. Die Errichtung dieses Blockheizkraftwerkes, dessen Bau in dem für das Neubaugebiet aufgestellten Bebauungsplan Nr. 11 vorgesehen war, kostete rund eine Million DM.

Die Beklagte ist Eigentümerin von Baugrundstücken im Bereich des Bebauungsplans Nr. 11. Sie hat in der Vergangenheit Baugrundstücke an private Erwerber verkauft. Alle Erwerber mußten dabei eine privatrechtliche Verpflichtung zum Anschluß- und zur Benutzung der Fernwärme der GWB-GmbH eingehen, diese Verpflichtung dinglich durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit absichern und an etwaige Rechtsnachfolger weitergeben. Die Verpflichtung ist mit einer Vertragsstrafe sanktioniert. Im Einzelnen lautet die Bestimmung in den Kaufverträgen wie folgt:

„Der Käufer verpflichtet sich, den Energiebedarf für Raumheizung und Warmwasserbereitung in dem auf dem Grundstück zu errichtenden Wohngebäude ausschließlich durch das im Bebauungsplan Nr. 11 vorgesehene Blockheizkraftwerk (Gas- und Wärmedienst GmbH) zu decken. Die Gemeinde kann Ausnahmen genehmigen. Der Käufer verpflichtet sich darüber hinaus, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit .. in das … Grundbuch eintragen zu lassen.”

Die Beklagte machte zudem die Vergabe von Erschließungsarbeiten im Bereich des Bebauungsplans Nr. 11 davon abhängig, dass der Erschließungsträger die ihm (bzw. seinem Geschäftsführer oder seinen Gesellschaftern) gehörenden Grundstücke in dem Neubaugebiet nur mit einer entsprechenden privatrechtlichen Anschluß- und Benutzungsverpflichtung hinsichtlich der Fernwärme der GWB-GmbH verkauft und dies dinglich absichert (vgl. Blatt 102).

Der Kläger hat geltend gemacht:

Durch den privatrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang beim Verkauf der gemeindeeigenen Grundstücke und bei der Vergabe von Erschließungsaufträgen werde die Wettbewerbsposition seiner Mitgliedsunternehmen auf dem Markt für Energieversorgungsleistungen im Gebiet der Gemeinde unlauter beeinträchtigt. Die Beklagte beeinflusse den Wettbewerb auf diesem Markt in erheblicher und unzulässiger Weise dadurch, dass sie die ihr zukommende öffentlich-rechtliche Stellung und die Möglichkeiten der öffentlichen Hand dazu mißbrauche, die Nachfrage der Bauplatzerwerber in den Neubaugebieten der Gemeinde von vornherein gezielt auf das im Mehrbesitz der Beklagten stehende Fernwärmeversorgungsunternehmen zu lenken. Durch den kombinierten Einsatz ihrer öffentlichen Mittel zum Grundstückserwerb und zur gezielten Ausweisung von Neubaugebieten sowie ihrer Monopolstellung bei der Entscheidung über die Vergabe von Erschließungsaufträgen habe sie nahezu alle Bauplätze in dem von dem Bebauungsplan Nr. 11 erfaßten Neubaugebi...

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