Entscheidungsstichwort (Thema)

Internationale Zuständigkeit für Aufrechnung, Zurückbehaltungsrecht und Minderung bei Gerichtsstandklausel im Rechtsverkehr mit China

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Gerichtsstandklausel, die für die Geltendmachung von beiderseitigen Ansprüchen die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates des jeweiligen Beklagten vorsieht, schließt regelmäßig die Geltendmachung von Gegenrechten im gleichen Verfahren aus, soweit der Beklagte diese bei selbständiger Geltendmachung im Heimatstaat des Klägers zu verfolgen hätte.

2. Ausgeschlossen ist nicht nur die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen und die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten, sondern auch der Einwand der Minderung.

3. Der Erlass eines Vorbehaltsurteils und die Aussetzung des Verfahrens zugunsten der Geltendmachung einer aufzurechnenden Forderung im Heimatstaat des Klägers kommen nicht in Betracht, wenn Anhängigkeit und Verlauf eines derartigen Verfahrens noch völlig ungewiss sind.

 

Normenkette

UNWaVtrÜbk Art. 50; ZPO §§ 38, 40, 148, 302

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 03.05.2013; Aktenzeichen 14 O 108/12)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.01.2015; Aktenzeichen VIII ZR 352/13)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 3.5.2013 verkündete Schlussurteil der Kammer für Handelssachen I des LG Kiel - 14 O 108/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann die Beklagte die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um gegenseitige Ansprüche aus Kaufvertrag.

Die Klägerin ist eine in China ansässige Gesellschaft auf Grundlage des Gesetzes der Volksrepublik China über Joint Ventures mit chinesisch-ausländischer Investition, an der die Beklagte als Gesellschafterin beteiligt ist. Sie produziert Röntgenröhren für medizinische und industrielle Anwendung. Die Beklagte vertreibt derartige Röhren.

Am 1.1.2010 schlossen die Parteien einen Rahmenkaufvertrag (K1). Ziff. VIII. dieses Rahmenkaufvertrages lautet:

Bei Meinungsverschiedenheiten während der Gültigkeit des Vertrages sollen beide Parteien auf Basis der Freundlichkeit mit einander verhandeln. Sollte die Verhandlung scheitern, kann sich die Vertragstreue Partei an Schiedsstelle oder Gericht im Land des angeklagten wenden.

Die Klägerin lieferte der Beklagten gemäß Rechnungen vom 22.2. und 6.4.2012 Röhren zum Kaufpreis von insgesamt 22.620 EUR. Die Beklagte erklärte gegen diese unstreitige Kaufpreisforderung die Aufrechnung mit streitigen Mängelgewährleistungsansprüchen. Zugleich erhob sie die Einrede des nichterfüllten Vertrages, soweit die behauptete Mangelhaftigkeit zum Teil die dem Kaufpreisanspruch zugrunde liegenden Lieferungen betrifft.

Hierzu hat sie behauptet, zahlreiche Lieferungen in der Vergangenheit seien mangelhaft, da undicht gewesen. Zudem sei es in mehreren Fällen beim Transport zu Glasbruch gekommen.

Die Klägerin hat nicht nur die Mangelhaftigkeit und die ordnungsgemäße Rüge bestritten, sondern auch die Meinung vertreten, Aufrechnung und Einrede des nichterfüllten Vertrages seien infolge mangelnder internationaler Zuständigkeit des LG Kiel unzulässig.

Sie hat den Kaufpreis im Urkundsverfahren geltend gemacht. Das LG hat die Beklagte mit - nach Berufungsrücknahme rechtskräftigem - Urkundsvorbehaltsurteil vom 18.1.2013, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, verurteilt, an die Klägerin 22.620 EUR zu zahlen.

Auf Antrag der Klägerin hat das LG das Vorbehaltsurteil durch Schlussurteil vom 3.5.2013, auf dessen Inhalt ebenfalls wegen weiterer Einzelheiten gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, für vorbehaltlos erklärt mit der Begründung, die Aufrechnung sowie die Einrede des nichterfüllten Vertrages seien mangels internationaler Zuständigkeit unzulässig. Denn die im Rahmenvertrag geschlossene Gerichtsstandvereinbarung enthalte zugleich ein prozessuales Aufrechnungsverbot, das auch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes ausschließe.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet:

Die internationale Zuständigkeit des LG Kiel für Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechte sei durch die Gerichtsstandklausel nicht wirksam abbedungen worden:

  • Eine Auslegung der streitigen Klausel ergebe gerade nicht, dass die Parteien derartiges bezweckt hätten.
  • Zudem sei die Klausel nicht hinreichend bestimmt i.S.d. § 40 Abs. 1 ZPO. Darüber hinaus sei sie nach § 139 BGB unwirksam, da die in ihr enthaltene Schiedsklausel wegen Unbestimmtheit unwirksam sei und sich diese Unwirksamkeit auf die Gerichtsstandklausel erstrecke. Hinzu komme, dass die Klage nicht "während" der Gültigkeit des Rahmenvertrages, sondern nach dessen Kündigung durch die Beklagte erhoben worden sei, so dass die Gerichtsstandklausel schon ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar ...

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