Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines gemeinschaftlichen Testaments

 

Normenkette

BGB § 2267

 

Tenor

Auch zwei getrennte, äußerlich nicht miteinander verbundene Einzeltestamente können eine einzige Urkunde im Rechtssinne darstellen und ein gemeinschaftliches Testament bilden, wenn ihr innerer Bezug auf andere Weise eindeutig ist. Ein Zerschneiden der ursprünglich unzerteilten Urkunde stellt nicht notwendig einen Widerruf dar.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 4. hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Geschäftswert beträgt 350.000,00 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1. war die Ehefrau, die Beteiligten zu 2. und 3. sind die Töchter und die Beteiligten zu 4., 5. und 6. die Enkelkinder des Erblassers.

Es gibt verschiedene Schriftstücke, die als letztwillige Verfügungen des Erblassers in Betracht kommen, jedoch aus unterschiedlichen Gründen in ihrer Wirksamkeit umstritten sind. Es sind dies:

Eine Urkunde "Mein Testament", von der eine spiegelbildlich gleichlautende Urkunde der Ehefrau des Erblassers vorhanden ist, beide datiert auf den 14. Januar 1986;

Eine Urkunde "Mein Testament" vom 20. August 2013 und

Eine Urkunde "Vollmacht" zu Gunsten der Beteiligten zu 4.

Die Urkunden befinden sich nach Bl. 8 und nach Bl. 32 sowie auf Bl. 35 der Beiakte 7 IV 420/16 AG Reinbek.

Die Beteiligten zu 1. und 4. haben widerstreitende Erbscheinsanträge gestellt. Die Beteiligte zu 1. hat die Erteilung eines Erbscheins für sich als Alleinerbin beantragt. Sie hatte sich hierbei auf das Testament vom 14. Januar 1986 gestützt. Das Testament vom 20. August 2013 sei unwirksam. Der Inhalt sei unklar und die Testierfähigkeit des Erblassers zu diesem Zeitpunkt fraglich. Außerdem habe der Erblasser das gemeinschaftliche Testament nach dem Tode der Ehefrau nicht einseitig aufheben dürfen.

Die Beteiligte zu 4. hat auf der Grundlage des aus ihrer Sicht wirksamen Testaments vom 20. August 2013 zunächst die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins für sich und die Beteiligten zu 3., 5. und 6. als Erben zu je 1/4 nebst Anordnung der Testamentsvollstreckung beantragt. Sie hat später einen Teilerbschein für sich und ihre beiden Kinder beantragt, diesen Antrag aber später wieder zurückgenommen. Stattdessen hat sie ihren ursprünglichen Antrag wiederholt, allerdings ohne Berücksichtigung einer Testamentsvollstreckung. Den zunächst erhobenen Vorwurf fehlender Echtheit des Testaments des Erblassers vom 14. Januar 1986 hat die Beteiligte zu 4. nicht mehr aufrechterhalten. Sie hat jedoch Zweifel geäußert, dass es sich um ein gemeinschaftliches Testament gehandelt habe, und bestritten, dass das von der Erblasserin in ihrer Urkunde angegebene Datum richtig sei. Es sei nachträglich verfasst und rückdatiert worden um den Anschein eines gemeinschaftlichen Testaments zu schaffen. Die Testamente der Ehegatten nehmen auch nicht aufeinander Bezug; jeder von ihnen habe eine eigene Verfügung errichtet. Jedenfalls sei durch das Zerreißen des Blattes, auf dem die Testamente geschrieben seien, gemeinschaftlich aufgehoben worden. Ob der Erblasser die Urkunden gleichwohl aufbewahrt habe, sei unbekannt. Es könne daran gelegen haben, dass er von ihnen nichts mehr gewusst habe, weil sie auf dem Dachboden des Hauses versteckt worden seien, zu dem er aufgrund seiner Gehbehinderung keinen Zugang gehabt habe.

Das Nachlassgericht hat die Beteiligten angehört, wie dies dem Sitzungsvermerk vom 26. Januar 2017 zu entnehmen ist, und mit Beschluss vom 10. Juli 2017 die Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1. beantragten Erbscheins für festgestellt erachtet, die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 4. hingegen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Beteiligte zu 1. sei aufgrund des Testaments vom 14. Januar 1986 Alleinerbin geworden. Bei diesem Testament handele es sich um ein gemeinschaftliches Testament. Die Ehegatten hätten es auf demselben Blatt Papier geschrieben. Die Beteiligte zu 1. habe in ihrer persönlichen Anhörung erklärt, nicht mehr zu wissen, wann das Blatt Papier getrennt worden sei. Doch auch dann, wenn beide Ehegatten nicht auf dasselbe Stück Papier geschrieben hätten, stünde dies dem Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments nicht entgegen. Ein solches könne auch in getrennten Urkuden errichtet werden, und zwar auch ohne ausdrückliche Bezugnahme. Dafür sprächen hier die Umstände. Die beiden Blätter, auf denen die Testamente geschrieben seien, hätten unzweifelhaft einmal ein einheitliches DIN A4 - Blatt gebildet. Auch hätten die Ehegatten ihre letztwilligen Verfügungen mit demselben Datum versehen und nahezu den gleichen Wortlaut verwendet. Auch habe die Beteiligte zu 1. in ihrer Anhörung bekundet, sie hätten sich im Jahr 1986 entschlossen, ein Testament zu machen.

Für die Vermutung der Beteiligten zu 4., dass die letztwillige Verfügung der Beteiligten zu 1. nachträglich errichtet und rückdatiert worden sei, gebe es kei...

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