Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Landes Schleswig-Holstein für Folgen von Wolfsangriffen auf eine Schafherde

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 839 Abs. 1, § 1004; GG Art. 12, 14

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 29.04.2020 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Die Kläger machen Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüche wegen durch einen Wolf gerissener Schafe geltend.

Die Kläger sind landwirtschaftliche Schafshalter und -züchter. Im Zeitraum vom 25.10.2018 bis zum 26.11.2018 griff ein Wolf mehrfach eine Schafherde der Kläger an. Die Angriffe führten zum Verlust von insgesamt 12 Schafen. Die Kläger meldeten die Risse jeweils beim zuständigen Wolfskoordinator des Schleswig-Holsteinischen Wolfsmanagements. Ihnen wurde zunächst die Überlassung von Zaunmaterial zum Schutz der Herden angeboten. Die Kläger hielten das Material für ungeeignet und verlangten Material für weitere Flächen sowie die Errichtung der Zäune durch Mitarbeiter des Landes. Nachdem es zu weiteren Rissen gekommen war, zäunten die Kläger unter Mithilfe von Mitarbeitern des Landes einen durch elektrische Weidezäune geschützten Nachtpferch ein. Die Untersuchung der Risse ergab, dass für diese der Wolf GW 924 m verantwortlich war. Dieses Tier überwand später am 28.11.2018 bei einem anderen Halter eine als wolfssicher eingestufte Einzäunung. Im Januar 2019 erteilte das Land eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zur Tötung des Wolfes. Der Wolf wurde im Januar 2020 in Niedersachsen überfahren. Die Kläger beantragten für die gerissenen Schafe bei dem beklagten Land Zuwendungen nach der Wolfsrichtlinie des Landes.

Mit der Klage haben die Kläger Schadensersatz dafür verlangt, dass es durch die Wolfsangriffe zum Verlammen (Abort) bei 140 trächtigen Schafen gekommen sei. Weiter begehren sie die Feststellung, dass das beklagte Land zum Ersatz von Schäden durch Wolfsangriffe auf ihre Herden verpflichtet ist.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das beklagte Land keine Amtspflichten verletzt habe. Eine rechtliche Verpflichtung, die Kläger vor finanziellen Schäden infolge von Wolfsübergriffen zu schützen, sei nicht ersichtlich. Ebenso existiere keine Rechtsquelle, nach der die Verwaltung verpflichtet sei, Maßnahmen gegen zu- und durchwandernde Wölfe zu ergreifen. Ob das Land Beratungspflichten verletzt habe, könne offenbleiben. Die Kläger seien jedenfalls aufgrund der von dem Wolfskoordinator angebotenen leihweisen Überlassung von Zäunen über die Anforderungen an eine wolfssichere Einzäunung hinreichend informiert. Ein Zahlungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB scheitere daran, dass das Land kein Handlungs- oder Zustandsstörer sei. Ein Zahlungsanspruch bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines enteignungsgleichen oder enteignenden Eingriffs. Diese Rechtsinstitute setzten jeweils voraus, dass in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition unmittelbar eingegriffen werde. Hier fehle es an einem unmittelbaren Eingriff durch das Land. Die von den Klägern geltend gemachten Schäden beruhten auch nicht darauf, dass die nach § 45 Abs. 7 BNatSchG mögliche Genehmigung zur Tötung des Wolfs zunächst nicht erteilt worden sei. Es habe erst am 27.11.2018 festgestanden, welcher Wolf die Schafe gerissen habe, so dass dann erst die Voraussetzung für eine Genehmigung bestanden hätten. Zu diesem Zeitpunkt seien die Risse bereits erfolgt.

Gegen die Klageabweisung wenden sich die Kläger mit der Berufung. Sie sind der Auffassung, dass das beklagte Land gegen unmittelbar aus den Grundrechten der Art. 14 und Art. 12 GG abgeleitete Schutzpflichten verstoßen habe.

Nach der Wolfsrichtlinie des Landes ende die Verpflichtung des beklagten Landes nicht mit einer Beratung der Kläger. Es müsse vielmehr ein absoluter Schutz vor Übergriffen durch Wölfe in Schafherden sichergestellt werden. Diese Verpflichtung sei auch drittschützend. Nach § 45 Abs. 7 BNatSchG habe das Land Entnahmeverfügungen zu entlassen. Wölfe seien zu betäuben und aus dem Land zu verbringen. Das Land sei nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB verpflichtet, ein- und durchwandernde sowie stationäre Wölfe sofort zu entnehmen und durch geeignete Maßnahmen ein Eindringen von Wölfen in Schleswig-Holstein zu unterbinden.

Ihnen stehe auch ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff zu. Dadurch, dass das Land es unterlasse, Wölfe sofort durch geeignete Maßnahmen zu entnehmen, werde rechtswid...

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