Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosigkeit. Verfügbarkeit. Arbeitsfähigkeit. Erreichbarkeit. Nichtmitteilung der Änderung der Wohn- bzw Postanschrift. Weiterleitung der Briefpost durch Dritte

 

Orientierungssatz

Hat der Arbeitslose die Änderung seiner Wohn- bzw Postanschrift der Bundesagentur für Arbeit nicht rechtzeitig mitgeteilt, so mangelt es an der nach § 119 Abs 3 Nr 3 SGB 3 bzw § 1 Abs 2 S 2 ErreichbAnO erforderlichen persönlichen bzw postalischen Erreichbarkeit. Diese liegt auch dann nicht vor, wenn der Arbeitslose sicherstellt, dass die an seine bekannte Wohnanschrift gerichtete Briefpost durch Dritte an ihn weitergleitet wird und er sie täglich zur Kenntnis nehmen kann.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 9. März 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) vom 1. Februar 2003 bis 1. April 2003 und die Rückforderung überzahlter Leistungen (Alhi, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) in Höhe von 1.129,92 €.

Der 1978 geborene Kläger war bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und bezog ab 8. November 2002 Alhi. Vom 1. Februar 2003 bis 28. Februar 2003 erhielt er (wegen versehentlicher Nichtumrechnung von DM-Beträgen in Euro-Beträge) Alhi in Höhe von wöchentlich 155,68 € (= täglich 22,24 €; Bescheid vom 13. Januar 2003). Ab 1. März 2003 bezog er Alhi in Höhe von wöchentlich 78,96 € (= täglich 11,28 €; Bescheid vom 26. März 2003). In seinen Leistungsanträgen vom 28. August 2002 und 2. November 2002 gab der Kläger als Anschrift “S , T" an. Ab Oktober 2002 war er in Nebentätigkeit als Wachmann beschäftigt und erzielte Nebeneinkommen.

Am 2. Oktober 2002 ging beim Arbeitsamt F der Beklagten eine Anschriftenberichtigungskarte der Deutschen Post AG (Nachsendezentrum) ein, nach der der Kläger nach “S-platz , S" verzogen sei. Auf telefonische Nachfrage eines Mitarbeiters der Beklagten teilte der Kläger ausweislich des gefertigten Gesprächsvermerks mit, dass er immer noch in T wohne, aber seine Postanschrift “S-platz" in S sei. Er werde dort demnächst hinziehen und der Beklagten dann Bescheid sagen.

Am 14. Januar 2003 und am 11. Februar 2003 gingen bei der Beklagten vom Kläger unterschriebene Veränderungsmitteilungen mit der Anschrift “S-platz, S" und dem Hinweis ein, dass sich sein Konto geändert habe. Schreiben der Beklagten vom 19. Februar 2003 und 25. Februar 2003 wegen Einkommensanrechnung aufgrund der Nebentätigkeit des Klägers als Wachmann sowie ein Anhörungsschreiben der Beklagten vom 25. März 2003 wegen einer Alhi-Überzahlung waren jeweils an die S Anschrift gerichtet.

Am 2. April 2003 erfuhr die Beklagte vom Amt T, dass sich der Kläger nach Mitteilung des dortigen Einwohnermeldeamtes mit Wirkung ab 1. Februar 2003 nach “G, T" umgemeldet habe. Der Kläger habe für die Wohnung in T auch Wohngeld beantragt. Der Mietvertrag für die Wohnung in T liege dort ebenfalls vor. Der Mietvertrag gelte ab 1. Februar 2003.

Die Beklagte veranlasste daraufhin die vorläufige Einstellung der weiteren Zahlung von Alhi mit Wirkung vom 1. April 2003 und hörte den Kläger mit Schreiben vom 22. April 2003 zum nicht mitgeteilten Wohnungswechsel während des Bezuges von Alhi an. Mit Schreiben vom 28. April 2003 bestätigte der Kläger mit seiner Unterschrift, dass er am 1. Februar 2003 umgezogen sei und unter der Anschrift G in T zu erreichen sei. Mit Veränderungsmitteilung vom selben Tage teilte er ferner mit, dass er ab 5. Mai 2003 eine berufliche (Vollzeit-)Tätigkeit als Wachmann aufnehmen werde. Diese Tätigkeit übte der Kläger bis zum 31. Oktober 2003 aus. Mit Verfügung vom 13. Juni 2003 beendete die Beklagte die vorläufige Zahlungseinstellung und bewilligte dem Kläger Alhi rückwirkend ab 2. April 2003.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2003 hob die Beklagte die Bewilligung der Alhi für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis 1. April 2003 ganz auf und forderte vom Kläger die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in Höhe von insgesamt 1.129,92 € (Alhi: 972,40 €, Krankenversicherungsbeiträge: 140,99 €, Pflegeversicherungsbeiträge: 16,53 €). Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen. Er habe dem Arbeitsamt seinen Umzug nicht rechtzeitig mitgeteilt. Die Adressenänderung sei dem Arbeitsamt erst am 2. April 2003 durch das Amt T bekannt geworden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 5. November 2003 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er den Vermittlungsbemühungen der Beklagten durchgehend zur Verfügung gestanden habe, weil er auch unter der Adresse in S für deren Mitarbeiter jederzeit erreichbar gewesen sei. Zwar sei er seit dem 1. Februar 2003 in T gemeldet gewesen; der Umzug dorthin habe sich jedoch in mehreren Etappen vollzogen, so dass eine postalische Erreichbarkeit zunächst ohnehin nur unter der Adresse in S gegeben gewese...

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