Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung. Mittelgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Mittelgebühr nach Nr 3106 VV RVG bildet - von extremen Ausnahmefällen abgesehen - die Obergrenze bei Verfahren, die ohne jegliche mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid enden.

2. Wird auf die Ankündigung des Gerichts, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, überhaupt nicht reagiert, so kommt die Mindestgebühr nach Nr 3106 VV RVG in Betracht.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Rechtsanwältin wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 22.08.2007 aufgehoben.

II. Die der Beschwerdeführerin zustehende Vergütung wird auf 658,55 EUR festgesetzt.

III. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Mit der Beschwerde wendet sich die Klägervertreterin gegen die Kürzung der im Rahmen der Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren.

Im Ausgangsverfahren - einem Verfahren, in welchem der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig war - wurde die Beschwerdeführerin, nachdem die Klägerin selbst am 20.10.2004 Klage erhoben hatte, am 02.11.2005 mandatiert. Sie nahm daraufhin Akteneinsicht (bis zu diesem Zeitpunkt bestand die SG-Akte aus 106 Seiten) und beantragte am 29.11.2005 Prozesskostenhilfe.

Mit Beschluss vom 25.01.2006 wurde antragsgemäß Prozesskostenhilfe “ab 30.11.2005„ bewilligt.

Im Laufe des weiteren Verfahrens wurden ein nervenärztliches Gutachten (vom 03.02.2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 16.03.2006) und ein orthopädisches Gutachten (vom 25.10.2006) eingeholt.

Das Sozialgericht hörte daraufhin die Beteiligten - die Akte war mittlerweile auf 225 Seiten angewachsen - zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid an und teilte mit, dass mit Klageabweisung zu rechnen sei.

Die Beschwerdeführerin widersprach mit 4seitigem Schriftsatz, dem ein Befundbericht beigeheftet war.

Hierauf sah sich das Gericht veranlasst, bei dem orthopädischen Gutachter eine weitere gutachtliche Stellungnahme einzuholen.

Die Beschwerdeführerin äußerte sich daraufhin noch einmal mit Schriftsatz vom 22.01.2007, dem eine durch sie veranlasste gutachtliche Stellungnahme eines anderen Orthopäden beilag.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Am 21.02.2007 bezifferte die Beschwerdeführerin ihre Vergütungsforderung wie folgt:

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG

 460,00 €

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG

 380,00 €

Entgelte für Post und Telekommunikationsdienstleistungengemäß Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 €

Dokumentenpauschale 106 Seiten, gemäß Nr. 7000, 1a VV-RVG

 33,40 €

Zwischensumme

 893,40 €

Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG

 169,75 €

Summe

   1.063,15 €

Mit Beschluss vom 12.04.2007 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung wie folgt fest:

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV)

 300,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV)

 100,00 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV)

 20,00 €

Zwischensumme

 420,00 €

19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV

 79,80 €

Gesamtsumme

   499,80 €

Was die Verfahrensgebühr anbelange, sei die Höchstgebühr nicht verdient worden, da nicht ein entsprechend außergewöhnlicher Fall vorgelegen habe. Für den vorliegenden Fall erscheine eine um 25 % über der Mittelgebühr liegende Vergütung gerechtfertigt.

Obwohl kein Verhandlungstermin stattgefunden habe, sei auch die Terminsgebühr verdient worden, in diesem Fall, der durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, sei allerdings nur eine halbe Mittelgebühr verdient worden.

Die Kopiekosten seien nicht erstattungsfähig, denn diese seien vor der PKH-Bewilligung entstanden.

Die dagegen eingelegte Erinnerung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22. August 2007 unter Bezugnahme auf die Begründung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses zurückgewiesen.

Der Beschluss ist mit folgender Rechtsmittelbelehrung versehen:

Gegen diesen Beschluss ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG i. V. m. § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3 RVG Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht statthaft. Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Sozialgericht Leipzig, Berliner Straße 11, 04105 Leipzig, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Sächsischen Landessozialgericht, Parkstraße 28, 09120 Chemnitz, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Bei dieser Rechtsmittelbelehrung handelt es sich offensichtlich um einen automatisch verwendeten gespeicherten Text.

Der Beschluss vom 22.08.2007 wurde der Beschwerdeführerin am 29.08.2007 zugestellt.

Die Beschwerde ging am 26.09.2007 beim Sozialgericht Leipzig ein. Das Sozialgericht Leipzig hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.

Die Beschwerde ging innerhalb der vom Sozialgericht genannten Monatsfrist ein. Allerdings nennt § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG, auf den die Rechtsmittelbelehrung ja ausdrücklich verweist, gerade keine Monatsfrist, sondern eine 2-Woch...

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