Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutzprozess als Voraussetzung eines Auflösungsantrags nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG. Kein Annahmeverzug des Arbeitgebers bei Unwilligkeit der Leistungserbringung durch den Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Auflösungsantrag nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG setzt einen anhängigen Kündigungsschutzrechtsstreit voraus.

2. Der Arbeitgeber gerät nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer nicht bereit ist, die geschuldete Leistung zu erbringen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Auflösungsantrag nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG setzt voraus, dass ein Kündigungsrechtsstreit i.S.d. KSchG anhängig ist. Bei dieser Voraussetzung für eine Auflösung handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung eigener Art, deren Mangel von Amts wegen, d.h. auch ohne Rüge, in jeder Lage des Rechtsstreits zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

KSchG § 13 Abs. 1 S. 3, § 9; BGB §§ 297, 615 S. 1; KSchG § 10; BGB § 293

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Entscheidung vom 24.07.2020; Aktenzeichen 12 Ca 3662/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.03.2023; Aktenzeichen 5 AZR 255/22)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 24.07.2020, Aktenzeichen 12 Ca 3662/19 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verfolgt im Berufungsrechtszug noch Ansprüche auf Zahlung von Lohn ohne Arbeit aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs und begehrt die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien.

Von der erneuten Darstellung des im ersten Rechtszug festgestellten Tatbestandes wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 24.07.2020, Az.: 12 Ca 3662/19 Bezug genommen. Nach Aktenlage ist das Vorbringen beider Parteien im Tatbestand des Ersturteils richtig beurkundet. Zudem sind Tatbestandsrügen nicht erhoben. Zu ergänzen ist lediglich Folgendes:

Am 29.11.2019 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger statt, in dessen Rahmen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses thematisiert wurde. In dem Gespräch wurde über einen Aufhebungsvertrag verhandelt. Der Kläger forderte eine Abfindung. Der Geschäftsführer der Beklagten teilte mit, er halte diese Forderung für verwerflich, weil sie in Bezug zum Risiko des Arbeitgebers stehe, nach einer Kündigung im Falle eines Kündigungsschutzprozesses Arbeitsentgelt nachzahlen zu müssen, ohne dass der Kläger dafür Leistung erbringe müsse. Nach Scheitern der Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag kündigte die Beklagte den Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung an und zugleich, dass sie, wenn der Kläger die außerordentliche Änderungskündigung nicht für rechtmäßig halte, die Fortsetzung der Arbeitsleistung in Form des ursprünglichen Vertrages nicht ablehnen werde.

Nach Zugang der außerordentlichen Änderungskündigung vom 02.12.2019 wandte sich der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 05.12.2019 an die Beklagte und teilte auszugsweise mit:

„(…) Mein Mandant ist in Ihrem Unternehmen auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom … als CTO zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von Euro 5250,00 beschäftigt. Gemäß § 10.3 ist das Arbeitsverhältnis erstmals nach zwei Jahren ordentlich mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zu kündigen. Eine Kündigung kann daher frühestens zum 30.11.2020 erfolgen.

Mit Schreiben vom 02.12.2020 sprachen Sie eine außerordentliche Änderungskündigung auf eine Stelle als Softwareentwickler zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von Euro 3750,00 aus. (…)

Mein Mandant nimmt Ihr Änderungsangebot nicht an. Er wird daher auch nicht am 05.12.2019 um 12:00 Uhr im Unternehmen erscheinen. Gegen die ausgesprochene fristlose Kündigung wird Kündigungsschutzklage erhoben werden. Eine Klärung erfolgt dann im arbeitsgerichtlichen Verfahren.

Zur Vermeidung einer längeren gerichtlichen Auseinandersetzung könnte sich mein Mandant folgendem Vergleich mit den nachfolgenden Eckpunkten anschließen:

1. Beendigung zum 31.08.2020 bei Freistellung unter Vergütungsfortzahlung

alternativ

1. Beendigung zum 31.03.2020 bei Freistellung unter Vergütungsfortzahlung

2. Sozialabfindung in Höhe von EUR 15.000,00 nach §§ 9, 10 KSchG (…)“

Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzanträgen des Klägers gegen die außerordentliche Änderungskündigung vom 02.12.2019 und die außerordentliche Kündigung vom 14.12.2019 stattgegeben. Den Antrag des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum 01.12.2019 bis 29.02.2020 und die Widerklage der Beklagten hat das Arbeitsgericht abgewiesen.

Zur Begründung der Abweisung des Zahlungsantrages hat das Erstgericht ausgeführt, dem Kläger stehe aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs kein Anspruch zu, weil die Beklagte nicht in Annahmeverzug geraten sei.

Gegen das ihm am 07.09.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mittels eines am 21.09.2020 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatzes Berufung eingelegt. Diese hat ...

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