Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt: Vertrauensschutz in Überleitungsfällen

 

Leitsatz (amtlich)

§ 36 Nr. 1 EGZPO muss verfassungskonform in der Weise ausgelegt werden, dass der Schutz des Vertrauens auf das bisherige Unterhaltsrecht besonders berücksichtigt wird.

 

Normenkette

EGZPO § 36 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Neunkirchen (Urteil vom 15.12.2009; Aktenzeichen 17 F 388/08 UE)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG - Familiengericht - in Neunkirchen vom 15.12.2009, 17 F 388/08 UE, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

I. Der am ... September 1943 geborene Kläger und die am ... November 1939 geborene Beklagte, beide Deutsche, hatten am ... Mai 1966 geheiratet. Aus der Ehe ist die Tochter N., geboren am ... August 1967, hervorgegangen, die nicht mehr unterhaltsbedürftig ist. Die Parteien trennten sich am 1.6.1985. Auf den der Beklagten am 22.4.1986 zugestellten Scheidungsantrag des Klägers wurde die Ehe mit Urteil des AG - Familiengericht - in Neunkirchen vom 31.3.1987 - insoweit seit demselben Tage rechtskräftig- geschieden.

Im Scheidungstermin vom selben Tage hatten die Parteien in der Folgesache Ehegattenunterhalt einen Vergleich geschlossen, der folgenden Wortlaut hat:

1. Der Antragsteller verpflichtet sich, an die Antragsgegnerin ab 1.4.1987 einen monatlichen Unterhaltsbetrag i.H.v 430 DM zu zahlen.

2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Antragsgegnerin zu ihrem jetzigen Einkommen eigene Einkünfte erzielen darf, ohne dass sich an den Unterhaltszahlungen des Antragstellers i.H.v 430 DM monatlich etwas ändert.

Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass eine Änderung des Unterhaltsbetrags auch nicht eintritt dadurch, dass die Antragsgegnerin eventuell aus dem Haus nach dessen Verkauf auszieht und dann eigene Miete zahlen muss.

3. Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass im Falle des Hausverkaufs bei keiner Partei eigenes Vermögen oder Zinseinkommen angerechnet wird.

4. Die Parteien sind sich einig darüber, dass der der Antragsgegnerin zu zahlende Unterhaltsbetrag von 430 DM der Anpassung an den Lebenshaltungskostenindex der Bundesrepublik (4 Personen-Arbeitnehmerhaushalt) unterliegt. Der Unterhaltsbetrag ist jeweils dann anzupassen, wenn der Lebenshaltungskostenindex um 5 % gestiegen ist.

5. Die Antragsgegnerin erteilt ihre Zustimmung zu dem begrenzten Realsplitting, der Antragsteller verpflichtet sich, die der Antragsgegnerin dadurch entstehende Steuermehrbelastung dieser zu erstatten.

Infolge der Anpassungen an den Lebenshaltungskostenindex gem. Ziff. 4. des vorgenannten Vergleichs schuldete der Kläger der Beklagten zuletzt monatlichen Unterhalt i.H.v 315,87 EUR.

Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien zweitinstanzlich, in welcher Höhe und wie lange der Kläger ab Oktober 2008 verpflichtet ist, in Abänderung dieses Vergleichs an die Beklagte nachehelichen Unterhalt zu zahlen.

Der Kläger hat am 26.4.1991 Frau G. R. (im Folgenden: Ehefrau) geheiratet. Aus dieser Ehe ist die Tochter N., geboren am ... Oktober 1984, hervorgegangen, die keines Unterhalts mehr bedarf. Die Ehefrau des Klägers ist teilzeitbeschäftigt. Seit dem 1.10.2008 ist der Kläger verrentet.

Die Beklagte hat keinen Beruf erlernt. Sie hat bis zur Eheschließung in einer Nähfabrik und einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Anlässlich der Eheschließung hat sie sich die für den Zeitraum 1.9.1957 bis 31.7.1966 auf ihrem Rentenversicherungskonto gutgeschriebenen Beiträge im Wege der Heiratserstattung auszahlen lassen. Ab der Geburt N. und bis Anfang 1979 hat sie sich ausschließlich deren Erziehung und der Haushaltsführung gewidmet. Danach hat sie bis zu ihrer Verrentung am 1.11.2002 halbtags im öffentlichen Dienst als Raumpflegerin gearbeitet.

Mit am 29.9.2008 eingereichter und der Beklagten am 3.11.2008 zugestellter Klage hat der Kläger beantragt, seine Unterhaltsverpflichtung aus dem am 31.3.1987 vor dem AG - Familiengericht - in Neunkirchen im Verfahren 17 F 62/86 geschlossenen gerichtlichen Vergleich dahingehend abzuändern, dass der Kläger ab Oktober 2008 an die Beklagte keinen Unterhalt mehr zu zahlen hat.

Die Beklagte hat auf Abweisung der Klage angetragen.

Durch das - mit Beschlüssen vom 29.12.2009 und 11.1.2010 nach § 319 ZPO jeweils im Tenor berichtigte - angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Kläger unter Abweisung der weitergehenden Klage in Abänderung des vorgenannten Vergleichs verurteilt, an die Beklagte monatlich nachehelichen Unterhalt für den Zeitraum vom 1.10. bis zum 31.12.2008 i.H.v 198 EUR, für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.3.2010 solchen i.H.v 223 EUR und ab 1.4.2010 solchen i.H.v 200 EUR zu zahlen.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter.

Die Beklagte bittet unter Verteidigung des angefochtenen Urteils um Zurückweisung der Berufung.

Der Senat hat die Akten 17 F 62/86 des AG Neunkirchen zum Gegenstand der münd...

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