Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 12.08.2010; Aktenzeichen 6 O 190/06)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 12.8.2010 - 6 O 190/06 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Saarbrücken zurückverwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Senatsentscheidung richtet sich gem. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach den bis zum 31.8.2009 geltenden Vorschriften (vgl. BGH FamRZ 2010, 869 m.w.N.).

Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde und mit dieser Maßgabe nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige "Beschwerde" der Klägerin hat einen vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das LG zur erneuten Behandlung und Entscheidung.

Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben; denn die Verweigerung der nachgesuchten Prozesskostenhilfe mangels Kostenarmut ist von den Gründen der angefochtenen und der Nichtabhilfeentscheidung nicht mehr getragen, sondern verletzt die Klägerin in ihrem grundrechtlich verbrieften Anspruch auf rechtliches Gehör.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG FamRZ 1992, 782). Dieses grundrechtsgleiche Recht ist verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und Erwägung von Parteivorbringen nicht nachgekommen ist. Diese Grundsätze gelten auch im Abhilfeverfahren (§ 572 ZPO), in dem das Gericht darüber zu entscheiden hat, ob es die Beschwerde für begründet hält und ihr abhilft oder sie dem Beschwerdegericht vorlegt; denn es besteht die Amtspflicht, den Inhalt der Beschwerdeschrift daraufhin zu überprüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist. Dabei sind mit Rücksicht auf § 571 ZPO vorgebrachte neue Tatsachen auch deshalb zu beachten und in die Prüfung einzubeziehen, weil mit dieser Vorschrift der Zweck verfolgt wird, die Kosten verursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache zu vermeiden, wenn gebotene Korrekturen der Erstentscheidung unschwer durch das Erstgericht selbst vorgenommen werden können. Werden die maßgeblichen Ausführungen des Beschwerdeführers völlig oder jedenfalls im Kern übergangen, liegt ein erheblicher Verfahrensmangel vor (vgl. Senatsbeschluss vom 9.9.2010 - 6 W 194/10-4; OLG Jena MDR 2010, 832 m.w.N.).

An diesen Maßstäben gemessen, liegt eine das nachträgliche Vorbringen der Klägerin würdigende Entscheidung des LG, die der Nachprüfung des Senats in der Beschwerdeinstanz zugänglich wäre, nicht vor.

In ihrer Beschwerde hat die Klägerin jeden der beiden - aus Sicht des LG - tragenden Gründe, aufgrund derer dieses im angefochtenen Beschl. v. 12.8.2010 - unter bloßer Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem LG vom 10.8.2010 - die Kostenarmut der Klägerin verneint hat, angegriffen.

Sie hat näher ausgeführt, weshalb - entgegen der Auffassung des LG - eine Verwertung oder Beleihung des Hausanwesens, das im Miteigentum der Parteien stehe und vom Beklagten allein bewohnt werde, bisher und auch derzeit nicht möglich sei und warum sie nicht verpflichtet sein könne, den ihr im vorliegenden Verfahren mit Urteil des LG vom 25.6.2010 - das lediglich gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist - zuerkannten Betrag zur Prozessfinanzierung einzusetzen.

Der Nichtabhilfebeschluss des LG vom 5.10.2010 - dessen Begründung sich in einer Bezugnahme auf den angefochtenen Beschluss und der Würdigung erschöpft, dass die Ausführungen in der Beschwerdeschrift "jedenfalls im Ergebnis" keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigten - lässt nicht ansatzweise erkennen, dass das LG sich in gebotenem Maße mit dem Beschwerdevorbringen auseinandergesetzt hat, obwohl hierzu nach Lage der Akten und in Anbetracht der Rechtsmittelbegründung Veranlassung bestanden hat.

Nach alledem ist die Sache wegen des wesentlichen Verfahrensfehlers unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen (vgl. Senatsbeschluss vom 9.9.2010 - 6 W 194/10-4). Eine eigene Sachentscheidung erscheint dem Senat bei den gegebenen Umständen nicht sachdienlich, weil diesbezüglich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weitere Feststellungen erforderlich sind und das LG bisher die am Maßstab des § 114 ZPO zu messende Frage des Umfangs der Erfolgsaussicht der erstinstanzlichen Rechtsverfolgung der Klägerin nicht geprüft hat.

Der Kostenausspruch beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 574 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2678666

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