Leitsatz (amtlich)

Der Vergütungsanspruch eines Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger eines Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Seit Inkrafttreten des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.7.2013 umfasst er neben der Grundgebühr regelmäßig auch die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren.

 

Normenkette

VV-RVG Nrn. 4114, 4112, 4100

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Entscheidung vom 30.09.2014; Aktenzeichen 6 KLs 52/13)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Verteidigerin Rechtsanwältin ... vom 16. Oktober 2014 wird der Beschluss der 6. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 30. September 2014 aufgehoben.

Auf die Erinnerung der Verteidigerin Rechtsanwältin ... vom 9. September 2014 wird die Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Saarbrücken vom 22. August 2014 dahin abgeändert, dass über den bereits festgesetzten Betrag in Höhe von 761,60 € hinaus eine an Rechtsanwältin ..., ..., aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung in Höhe eines weiteren Betrages von 694,96 € festgesetzt wird.

2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

In dem gegen den Angeklagten und drei weitere Angeklagte vor dem Landgericht Saarbrücken geführten Strafverfahren, in dem dem Angeklagten zunächst Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger bestellt war, fand an insgesamt 15 Tagen die Hauptverhandlung vor der 6. Großen Strafkammer statt. In dem Hauptverhandlungstermin vom 17.02.2014, zu dem Rechtsanwalt ... nicht, aber Rechtsanwältin ... für den Angeklagten erschienen war, beantragte diese, sie unter Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt ... dem Angeklagten als Pflichtverteidigerin für diesen Termin beizuordnen. Nach Anhörung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ordnete die Vorsitzende der 6. Strafkammer dem Angeklagten unter Zurücknahme der Beiordnung von Rechtsanwalt ... Rechtsanwältin ... als notwendige Verteidigerin bei, die an der laut Sitzungsprotokoll von 9.05 Uhr bis 15.10 Uhr dauernden Hauptverhandlung teilnahm. Gleiches geschah im Hauptverhandlungstermin vom 20.05.2014, der laut Sitzungsprotokoll von 10.20 Uhr bis 11.55 Uhr dauerte. An dem Hauptverhandlungstermin vom 24.06.2014, der laut Sitzungsprotokoll von 09.30 Uhr bis 15.30 Uhr dauerte, nahmen - laut Sitzungsprotokoll - von 08.30 Uhr bis 09.15 Uhr sowie ab 13.00 Uhr bis 14.50 Uhr Rechtsanwalt ... und von 09.15 Uhr bis zur Mittagspause um 12.10 Uhr sowie ab 14.50 Uhr Rechtsanwältin ... für den Angeklagten teil. In diesem Termin wurde zunächst auf Antrag von Rechtsanwältin ... unter Zurücknahme der Beiordnung von Rechtsanwalt ... Rechtsanwältin ... dem Angeklagten als notwendige Verteidigerin beigeordnet. Nachdem Rechtsanwalt ... um 13.00 Uhr erschienen war, ordnete die Vorsitzende dem Angeklagten antragsgemäß erneut Rechtsanwalt ... unter Zurücknahme der Bestellung von Rechtsanwältin ... als notwendigen Verteidiger bei und am späteren Nachmittag - wiederum antragsgemäß - Rechtsanwältin ... unter Zurücknahme der Beiordnung von Rechtsanwalt ... .

Mit Schriftsatz vom 03.07.2014 hat Rechtsanwältin ... die Festsetzung ihrer Vergütung als Pflichtverteidigerin aus der Landeskasse wie folgt beantragt:

Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG

160,00 €

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 VV RVG

148,00 €

Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 VV RVG (17.02.2014)

256,00 €

Längenzuschlag gemäß Nr. 4116 VV RVG (17.02.2014)

128,00 €

Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 VV RVG (20.05.2014)

256,00 €

Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 VV RVG (24.06.2014)

256,00 €

Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme

1.224,00 €

Umsatzsteuer in Höhe von 19% gemäß Nr. 7008 VV RVG

232,56 €

Endsumme

1.456,56 €

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Saarbrücken hat die der Rechtsanwältin ... aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung am 22. August 2014 auf 761,60 € festgesetzt. Hierbei hat sie die Grundgebühr, die Verfahrensgebühr, die Terminsgebühr für den 24.06.2014 sowie die Post- und Telekommunikationspauschale nebst anteiliger Umsatzsteuer abgesetzt, da Rechtsanwältin ... nur als Terminsvertreter neben dem "Vollverteidiger" anzusehen sei.

Die von Rechtsanwältin ... hiergegen mit Schriftsatz vom 09.09.2014 eingelegte Erinnerung, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nach Anhörung der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Saarbrücken nicht abgeholfen hat, hat der Einzelrichter der 6. Strafkammer mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die in den Hauptverhandlungsterminen vom 17.02., 20.05. und 24.06.2014 ergangenen Beschlüsse der Vorsitzenden der 6. Strafkammer hätten nicht auf eine Beiordnung der Rechtsanwältin ......

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