Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens waren divergierende Ansichten zwischen dem LG Berlin und dem AG Tempelhof-Kreuzberg (FamG) über die sachliche Zuständigkeit für einen Rechtsstreit, in dem der Kläger die Beklagte auf hälftige Auskehr des Verkaufserlöses für einen gemeinsamen Pkw i.H.v. 6.400,00 EUR gemäß einer zuvor geschlossenen Vereinbarung in Anspruch nahm. Die Beklagte war die getrennt lebende Ehefrau des Klägers. Gegen die unstreitige Klageforderung rechnete sie mit Unterhaltsansprüchen ihrer Kinder auf.

Das LG wies darauf hin, dass im Hinblick auf die Aufrechnung mit Ansprüchen, die im Familienrecht wurzeln, die Zuständigkeit des FamG gegeben sein dürfte. Der Kläger beantragte daraufhin zunächst hilfsweise die Verweisung an das AG und sodann unbedingte Verweisung dorthin. Auch die Beklagte wünschte die Verweisung an das AG. Das LG erklärte sich daraufhin mit nicht begründetem Beschluss vom 14.4.2008 für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das AG, das sich mit Beschluss vom 4.5.2008 ebenfalls für sachlich unzuständig erklärte und die Sache dem KG zur Zuständigkeitsbestimmung vorlegte. Das KG hielt das LG für sachlich zuständig.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Der Entscheidung des KG, wonach gemäß §§ 71 Abs. 1, 23 f. GVG das LG sachlich zuständig ist, lagen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Klageforderung übersteige die Streitwertgrenze des § 23 Nr. 1 GVG und stelle keine Angelegenheit dar, für die das AG gemäß §§ 23 Nr. 2, 23a GBV streitwertunabhängig zuständig wäre. Insbesondere unterfalle die Klageforderung nicht dem Katalog der in § 23a GVG genannten familienrechtlichen Ansprüche. Zwischen den Parteien sei kein Scheidungsverfahren o.ä. anhängig, das den Rechtsstreit zur "Ehesache" i.S.v. § 23a Nr. 4 GVG, § 606 Abs. 1 S. 1 ZPO werden lasse. Ebenso wenig stelle eine Vermögensauseinandersetzungen, die - wie im vorliegenden Fall - in Bezug auf einen einzigen Vermögensgegenstand erfolge und auf einer Vereinbarung beruhe, welche den Güterstand der Parteien nicht gemäß § 1408 BGB verändere, eine "güterrechtliche Streitigkeit" i.S.v. § 23a Nr. 5 GVG, §§ 1363 ff. BGB dar (BGH, NJW 1978, 1923; Philippi in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 621 Rz. 62).

Der bloße Umstand, dass die Parteien Eheleute seien, führe im Übrigen nicht zur Annahme einer Familiensache.

Auch der Umstand, dass die Beklagte mit einem Anspruch aufrechne, der bei einer klageweisen Geltendmachung dem Katalog des § 23a ZPO unterfiele, habe nicht zur Folge, dass der Rechtsstreit in die Zuständigkeit der Familiengerichte gerate. Dies sei in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem anerkannt (vgl. BGH NJW-RR 1989, 173 [174]; BayObLG NJW-RR 1986, 6 [7]; OLG Stuttgart, FamRZ 1979, 717 [718]; Bernreuther in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2007, § 621 Rz. 10).

Der Senat sah keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Für diese Auffassung spreche zum einen der klare Wortlaut der Regelung in §§ 71 Abs. 1, 23 f. ZPO. Zum anderen spreche für sie die Überlegung, dass dann, wenn man eine Aufrechnung mit "verfahrensfremden" Gegenansprüchen zulasse, notwendigerweise entweder das Gericht, welches für die Klageforderung zuständig sei oder das Gericht, welches für die Gegenansprüche zuständig wäre, auch für das ihm "fremde" Recht zuständig sei.

Das LG habe seine örtliche Zuständigkeit nicht nach § 281 Abs. 2 S. 3 ZPO durch Verweisung des Rechtsstreits an das AG verloren.

Der Verweisungsbeschluss bewirke im Grundsatz bindend die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichts und die Zuständigkeit des Gerichts, an das verwiesen werde. Es sei jedoch anerkannt, dass die Bindungswirkung ausnahmsweise dann entfalle, wenn die Verweisung auf Willkür beruhe. Die Voraussetzungen für die Annahme von Willkür sah das KG als gegeben an, da das LG die einschlägigen Vorschriften und insbesondere die hierzu ergangene, einhellige Rechtsprechung ersichtlich nicht in Betracht gezogen habe.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Beschluss vom 22.05.2008, 2 AR 26/08

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