Gesetzestext

 

(1) 1Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. 2Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. 3Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.

(2) 1Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. 2Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.

(3) Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.

A. Patientenakte.

I. Normzweck.

 

Rn 1

Die Führung einer Patientenakte dient mehreren Zwecken. Die Dokumentation der Behandlung soll zum einen die sachgerechte Behandlung und Weiterbehandlung gewährleisten sowie Doppeluntersuchungen vermeiden (BGH NJW 89, 2330, 2331; Laufs/Katzenmeier/Lipp/Katzenmeier IX Rz 47; Laufs/Kern/Rehborn/Rehborn/Kern § 61 Rz 10 ff). Die Pflicht des Behandelnden, über die Behandlung Rechenschaft abzulegen (Laufs/Katzenmeier/Lipp/Katzenmeier IX Rz 48; Laufs/Kern/Rehborn/Rehborn/Kern § 61 Rz 11; Olzen/Metzmacher JR 12, 271, 275), trägt zum anderen dem APR (Art 2 I iVm Art 1 I GG) des Patienten und, wenn auch allenfalls sekundär der Beweissicherung Rechnung (BTDrs 17/10488 S 26; BGH NJW 89, 2330, 2331 [BGH 24.01.1989 - VI ZR 170/88]; Laufs/Kern/Rehborn/Rehborn/Kern § 61 Rz 12; krit Laufs/Katzenmeier/Lipp/Katzenmeier IX Rz 49). Nicht jedoch soll die ärztliche Dokumentation dazu dienen, versicherungsrechtliche Fragen zu klären, etwa in Bezug auf die Richtigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die Verpflichtung der Krankenkasse zur Zahlung von Krankengeld (LG Dortmund MedR 18, 975 [LG Dortmund 17.05.2018 - 12 O 388/16]).

II. Art und Weise.

 

Rn 2

Dem Behandelnden, der die Patientenakte im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang (enge Auslegung, Spickhoff MedR 15, 845, 851) mit der Behandlung anzulegen hat, steht es frei, ob er die Akte in Papierform oder elektronisch führt.

III. Berichtigungen und Änderungen.

 

Rn 3

I 2 begründet eine neue Pflicht des Behandelnden, zum Zwecke der fälschungssicheren und transparenten Dokumentation Änderungen in der Patientenakte in formeller und zeitlicher Hinsicht kenntlich zu machen. Die transparente Gestaltung der Akte gilt sowohl bei der Dokumentation in Papierform als auch in elektronischer Form. Im Falle einer elektronisch geführten Patientenakte hat insoweit die eingesetzte Softwarekonstruktion die Erkennbarkeit nachträglicher Änderungen zu gewährleisten (BTDrs 17/10488 S 26; NJW 21, 2364 [BGH 27.04.2021 - VI ZR 84/19] Rz 26; Laufs/Katzenmeier/Lipp/Katzenmeier IX Rz 53).

B. Inhalt und Umfang.

 

Rn 4

Exemplarisch ergeben sich Inhalt und Umfang der Patientenakte aus II selbst. Hervorgehoben hat der Gesetzgeber in II 2, dass auch Arztbriefe als Transferdokumente, die der Kommunikation zwischen Ärzten über den Gesundheitszustand des Patienten dienen, der Patientenakte hinzuzufügen sind (BTDrs 17/10488 S 26). Ebenfalls zum Inhalt der Patientenakte sollen Einwilligungen und Aufklärungen werden, obwohl beide nicht der Schrift- bzw Textform bedürfen. Der Begriff der ›Aufklärung‹ bezieht sich im Zusammenhang mit der Einwilligung auf die Aufklärung iSv § 630e, mithin auf die Selbstbestimmungsaufklärung, nicht dagegen auf die Sicherungsinformation bzw therapeutische Aufklärung nach § 630c II (BGH NJW 21, 2364 Rz 14). Im Hinblick auf den Umfang der Dokumentationspflicht sind diejenigen für die Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, die aus der fachlichen Sicht des Behandelnden für die Sicherstellung der derzeitigen oder einer künftigen Behandlung des Patienten wesentlich sind bzw sein können (BTDrs 17/10488 S 26; BGH NJW 21, 2364 [BGH 27.04.2021 - VI ZR 84/19] Rz 16).

C. Aufbewahrungsfrist.

 

Rn 5

Die zehnjährige Aufbewahrungsfrist nach Abschluss der Behandlung kann durch andere, insbes weiterreichende Aufbewahrungs- und Aufzeichnungsfristen überlagert werden (zB § 1631e VI: Vollendung des 48. Lebensjahres; § 85 II 1 Nr 1 StrlSchG: 30 Jahre). Eine Verlängerung der Aufbewahrung soll sich ebenfalls unter Berücksichtigung der Verjährung zivilrechtlicher Ansprüche (§ 199 II) ergeben können (BTDrs 17/10488, 26; Laufs/Katzenmeier/Lipp/Katzenmeier IX Rz 54). Zu den verschiedenen Aufbewahrungsfristen Geiß/Greiner B. Rz 212; Laufs/Kern/Rehborn/Rehborn/Kern § 61 Rz 31 f; zur Harmonisierung mit der DSGVO Hansen MedR 21, 613. Verstirbt der Behandelnde vor Ablauf der Frist, so geht die Aufbewahrungspflicht auf seine Erben über (Rostock MDR 20, 1450; MüKoBGB/Wagner Rz 20).

D. Rechtsfolgen.

 

Rn 6

Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflichten wirkt sich vorrangig ...

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