Rn 64

Entlastend wirken kann weiter die Berufung des Schädigers darauf, er hätte die schädigende Handlung anders als unrechtmäßig auch rechtmäßig vornehmen dürfen: Vor einem Eingriff, der ohne ärztlichen Behandlungsfehler zu einem Schaden geführt hat, möge der Patient nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sein. Der auf Schadensersatz belangte Arzt macht geltend, der Patient würde dem Eingriff auch nach Aufklärung zugestimmt haben. Oder der vertragsbrüchige Dienstverpflichtete beruft sich darauf, er hätte sich auch durch eine Kündigung von seiner Pflicht befreien können.

 

Rn 65

Der BGH hat im Gegensatz zur RGZ 163, 129, 138 dem Arzt Recht gegeben (etwa BGHZ 90, 103, 111 mN). Freilich hat er dabei das Selbstbestimmungsrecht des Patienten durch eine strenge Beweisbelastung des Arztes zu sichern gesucht. Insb genüge nicht der Nachweis, ein vernünftiger Patient würde zugestimmt haben, denn dessen Selbstbestimmungsrecht schütze auch aus medizinischen Gründen unvertretbare Entscheidungen. Wenn die Gründe für die Ablehnung einer anerkannten Therapie nicht klar zutage lägen, müsse der Patient jedoch seine hypothetische Ablehnung plausibel begründen (BGH aaO 112, weiter NJW 05, 2072; die Entscheidungen ergingen vor Einführung der §§ 630h II, 630d, vgl nun dort). Die haftungsbegrenzende Rechtsfigur des hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten kommt erst dann zum Tragen, wenn die Ursächlichkeit der durchgeführten rechtswidrigen Behandlung für den behaupteten Schaden festgestellt und mithin die Haftung grds gegeben ist (BGH NJW 12, 850 [BGH 07.02.2012 - VI ZR 63/11]). – Zur Problematik des Dienstverpflichteten u. Rn 75. – Jedenfalls unzulässig ist die Berufung auf ein unrechtmäßiges Alternativverhalten (BGH NJW 06, 2767, 2769 [BGH 20.07.2006 - IX ZR 94/03] Rz 23). Die Beweislast für ein regelgemäßes Alternativverhalten als Reserveursache liegt beim Schädiger (BGH NJW aaO Rz 25 mN).

 

Rn 66

Auch bei fehlerhaftem Verhalten einer Behörde ist der (von ihr zu führende) Nachweis zugelassen worden, derselbe Erfolg wäre auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten; dass er lediglich hätte eintreten können, genügt dagegen nicht (BGHZ 120, 281, 287 mN). IÜ ist aber hier (wie auch bei anderer Verteidigung mit einem Alternativverhalten) zu bedenken, dass dieser Einwand dürfe nicht zur Aushöhlung wichtiger Verfahrensnormen führen darf (hM, vgl Lange/Schiemann Schadensersatz § 4 XII 5e mwN).

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