Gesetzestext

 

(1) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.

(2) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Norm schafft keinen eigenständigen Scheidungstatbestand, sondern stellt eine zwingende Beweislastregel für die Feststellung des Scheiterns der Ehe dar und begründet eine offene Form der einverständlichen Scheidung. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Beweisregeln müssen spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz erfüllt sein. Liegen die Voraussetzungen des § 1566 vor, greift dessen Beweisregel zwingend. Das Gericht darf die tatsächliche Zerrüttung dann nicht mehr prüfen.

B. Vermutungsvoraussetzungen.

I. Getrenntleben.

 

Rn 2

Wegen des Begriffs des Getrenntlebens wird auf § 1567 verwiesen, wobei § 1566 auch auf solche Ehen Anwendung findet, in denen eine häusliche Gemeinschaft nicht begründet worden ist, also auch auf Fehl- oder Zweckehen (Staud/Rauscher Rz 22 ff).

II. Einverständliche Scheidung nach 1-jährigem Getrenntleben (Abs 1).

 

Rn 3

I gibt den Eheleuten die Möglichkeit zur einvernehmlichen Scheidung durch beiderseitige Antragstellung oder durch Zustimmung zum Antrag des anderen. Nach § 133 Nr 2 FamFG sind nur Angaben darüber notwendig, ob die Ehegatten Einigungen über bestimmte Scheidungsfolgen getroffen haben, wodurch dem Gericht Klarheit über den Umfang des Konfliktpotentials verschafft und Gelegenheit gegeben werden soll, auf die Beteiligten einzuwirken, offene Fragen zu regeln (Schulte-Bunert/Weinreich/Roßmann § 133 FamFG Rz 6). Nach beiderseitiger Antragstellung oder der Zustimmung zum Scheidungsantrag braucht das Gericht keine weiteren Ermittlungen anzustellen (Schulte-Bunert/Weinreich/Roßmann § 134 FamFG Rz 8). Es wird das Scheitern der Ehe in dem Fall auch dann unwiderleglich vermutet, wenn einer der Ehegatten seinen Antrag nach mündlicher Verhandlung zurücknimmt, der andere jedoch unverändert geschieden werden möchte (KG NJW-RR 22, 1372 [KG Berlin 15.07.2022 - 16 UF 65/22]).

 

Rn 4

Die Zustimmung des Antragsgegners zum einseitig gestellten Scheidungsantrag ist dem Gericht ggü zu erklären. Wird sie nur außergerichtlich erklärt, ist sicherzustellen, dass sie dem Gericht mit Wissen und Wollen des Erklärenden vorgelegt wird (Stuttg OLGZ 1993, 263; Saarbr FamRZ 92, 109). Geschieht dies, wie etwa in einer Unterhaltsvereinbarung, nicht, begründet sie auch keine materiell-rechtliche Verpflichtung zur Abgabe einer formwirksamen Erklärung ggü dem Gericht (BGH FamRZ 95, 229).

 

Rn 5

Die Zustimmungserklärung ist jederzeit frei widerruflich (§ 134 II FamFG), für sie besteht kein Anwaltszwang. Sie ist ohne Bedeutung, wenn die Eheleute im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits mehr als 3 Jahre getrennt gelebt haben (Oldbg FamRZ 19, 926). Erforderlich ist die Verfahrensfähigkeit des Antragsgegners. Fehlt diese, bedarf die Zustimmung durch den gesetzlichen Vertreter ebenso wie der Scheidungsantrag selbst der Genehmigung des Familien- oder Betreuungsgerichts (§ 125 II FamFG).

III. Streitige Scheidung nach 3-jährigem Getrenntleben (II)

 

Rn 6

Leben die Eheleute spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung mindestens 3 Jahre voneinander getrennt, wird die Zerrüttung der Ehe unwiderlegbar vermutet. Der Beweis des Gegenteils ist sogar ausgeschlossen, weshalb eine Beweisaufnahme nicht erfolgen darf (BGH FamRZ 00, 285) und auch eine Anhörung des Antragstellers entbehrlich ist (BGH FamRZ 16, 617; Oldbg NdsRPfl 20, 426). Jetzt ist die Ehe ggf auch gegen den Willen des anderen Ehegatten zu scheiden.

 

Rn 7

Besteht allerdings zur freien Überzeugung des Gerichtes eine Aussicht auf Fortsetzung der Ehe, darf das Scheidungsverfahren ausgesetzt werden, solange nicht die Eheleute widersprechen (§ 136 I 2 FamFG).

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