Leitsatz

Wenn die Wohnungseigentümer von einem Prozessvergleich dauerhaft abweichen wollen, bedarf es dazu einer Vereinbarung. Ein entsprechender Beschluss ist nichtig.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 2 Satz 2 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K und die anderen Wohnungseigentümer schließen einen Prozessvergleich. Geregelt werden die Kosten und die Modalitäten der Sanierung einer Dachterrasse, die in K's Sondereigentum steht. Bei dem Versuch, die vergleichsweise vereinbarte Sanierungsvariante umzusetzen, zeigen sich Probleme. Verwalter V lädt daher zur Frage der Sanierung der Dachterrasse zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung im Mai 2012 ein, in der ein Beschluss zur Sanierung der Dachterrasse gefasst wird. Dieser Beschluss ist von K angefochten.
  2. In einer Versammlung im Juli 2013 wird die Problematik der Dachterrasse erneut erörtert. Der Beschluss aus dem Mai 2012 wird aufgehoben. Sodann wird unter TOP 11.1 eine neue Sanierungsvariante und unter TOP 11.2 eine Vakuumdämmung für die Dachterrasse beschlossen. Diese Beschlüsse werden von K mit der vorliegenden Klage angefochten. Er behauptet, die im Vergleich festgelegte Sanierungsvariante sei technisch nicht umsetzbar; auch die nunmehr beschlossene Sanierungsvariante sei technisch nicht umsetzbar und werde seinen Bedürfnissen nicht gerecht. Er ist daher der Auffassung, die angefochtenen Beschlüsse entsprächen ordnungsmäßiger Verwaltung. Die beklagten Wohnungseigentümer behaupten, die beschlossene Sanierungsvariante sei technisch umsetzbar und werde den Bedürfnissen aller Wohnungseigentümer gerecht.
 

Die Entscheidung

  1. Die Klage hat Erfolg! Die Beschlüsse seien vereinbarungsändernde Beschlüsse und als solche mangels Beschlusskompetenz nichtig. Ein gerichtlicher Vergleich sei nicht nur Prozesshandlung, sondern zugleich ein materiell-rechtlicher Vertrag. Mit dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs hätten die Wohnungseigentümer somit einen Vertrag geschlossen und damit eine Vereinbarung im Sinne des 10 Abs. 2 Satz 2 WEG getroffen (Hinweis auf OLG Köln v. 12.2.2003, 16 Wx 204/12).
  2. Wenn K meine, der gerichtliche Vergleich sei aus technischen Gründen nicht umsetzbar, hätte er ihn möglicherweise wegen Irrtums anfechten oder eine Anpassung des Vertrags nach § 313 BGB beantragen können. Da er beides nicht getan habe, sei der gerichtliche Vergleich weiterhin für die Parteien bindend und könne nur durch eine erneute Vereinbarung geändert werden.
 

Kommentar

Anmerkung

Der kleine Fall zeigt auf eine hübsche Weise Probleme der Dogmatik auf. Schließen Wohnungseigentümer einen Prozessvergleich, handelt es sich tatsächlich in der Regel um eine Vereinbarung im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG. Diese Vereinbarung können die Wohnungseigentümer selbstverständlich wieder ändern. Das "Instrument" für diese Änderung ist aber – wird der Fall von keiner Öffnungsklausel erfasst – wieder eine Vereinbarung. Wird ein Prozessvergleich geschlossen, sollte daher tunlichst darauf geachtet werden, dass das Vereinbarte auch umsetzbar ist.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Der Verwalter ist nicht berechtigt, für die beklagten Wohnungseigentümer den Prozessvergleich zu schließen. Insoweit gibt es auch keine Beschlusskompetenz. Da es sich um eine Vereinbarung handelt, muss sich jeder Wohnungseigentümer erklären. Möglich ist allerdings, dass jeder Wohnungseigentümer den Verwalter individuell ermächtigt, ihn zu vertreten.

 

Link zur Entscheidung

AG Wiesbaden, Urteil vom 01.08.2014, 92 C 3637/13 (81)

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