Leitsatz

Im Rahmen eines Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren hatte sich das OLG damit auseinanderzusetzen, ob Bausparverträge und Lebensversicherungen einzusetzendes Vermögen i.S.v. § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO des Antragstellers darstellen. Weiteres Problem dieser Entscheidung war die Bedarfsbemessung nach einem Karrieresprung des Unterhaltspflichtigen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte für ein von ihr beabsichtigtes Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt und in der von ihr eingereichten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einen Bausparvertrag mit einem Guthabensbestand von ca. 1.200,00 EUR und eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 4.500,00 EUR angegeben. Sie nahm ihren Ehemann auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch.

Der Beklagte war zuletzt als Anlagenfahrer tätig bis September 2005. Anschließend war er arbeitslos auch über den Zeitpunkt der Trennung, die im Februar 2006 erfolgte, hinaus. Erst nach der Trennung nahm er Umschulungsmaßnahmen wahr, die ihn u.a. zum Frontgabelstaplerfahrer befähigten. Ab November 2006 fand er eine Vollzeitbeschäftigung. Bis September 2005 betrug sein monatliches Nettoeinkommen durchschnittlich maximal 1.100,00 EUR. Seit November 2006 erzielte er Nettoeinkünfte von über 1.600,00 EUR monatlich. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die von dem Beklagten absolvierten Umschulungsmaßnahmen letztendlich zu der höher dotierten Arbeitsstelle geführt hatten.

Das erstinstanzliche Gericht hatte die Einkommenssteigerung des Beklagten als Karrieresprung und daher nicht eheprägend angesehen. Die Klägerin beabsichtigte, gegen die erstinstanzliche Entscheidung Berufung einzulegen und beantragte hierfür Prozesskostenhilfe, die ihr vom OLG nicht gewährt wurde.

 

Entscheidung

Das OLG begründete die Zurückweisung des PKH-Antrages für das Berufungsverfahren zum einen mit der fehlenden Bedürftigkeit der Klägerin, zum anderen mit fehlenden Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsmittels.

Die Klägerin habe sowohl den Bausparvertrag mit einem Guthabensbestand von ca. 1.200,00 EUR als auch ihre Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 4.500,00 EUR zur Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen. Insgesamt verfüge sie über Vermögenswerte von annähernd 5.800,00 EUR. Das ihr zustehende Schonvermögen von 2.600,00 EUR werde um rund 3.200,00 EUR überschritten, was ihr die Zahlung der voraussichtlichen Prozesskosten angesichts eines voraussichtlichen Berufungswertes von 5.386,00 EUR unschwer ermögliche.

Unabhängig von der finanziellen Situation der Klägerin äußerte das OLG Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Berufung gemäß §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO.

Das Maß des ehelichen Unterhalts bestimme sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB. Einkommenssteigerungen - und auch - Verminderungen - seien grundsätzlich zu berücksichtigen, gleichgültig ob sie vor oder nach Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten seien.

Wegen des Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit in § 1579 BGB wirkten sich Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen aber nur dann bedarfssteigernd aus, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liege, die aus der Sicht zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen seien (BGH, FamRZ 2007, 793 [795]).

Sei die Steigerung dagegen nicht schon in der Ehe angelegt gewesen, sondern vielmehr auf eine unerwartete Entwicklung zurückzuführen, handele es sich um unvorhersehbar gestiegene Einkünfte, die nicht mehr den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB zuzurechnen seien. Das Unterhaltsrecht wolle den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen als er während der Ehezeit gestanden haben oder aufgrund einer schon absehbaren Entwicklung ohne die Scheidung stehen würde. Auch insoweit komme es nicht darauf an, ob es sich um Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten handele (BGH, FamRZ 2008, 968).

Eine solche unerwartete Entwicklung liege vor allem bei einem sog. Karrieresprung vor. Ein solcher sei dann anzunehmen, wenn der Ehegatte eine neue berufliche Position erlangt habe und die hieraus erzielten Einkommenssteigerungen wesentlich über dem statistischen Mittelwert lägen bzw. die berufliche Tätigkeit mit der früheren Aufgabe nicht mehr in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehe. Einkommenssteigerungen von mehr als 20 % seien regelmäßig als Karrieresprung einzuschätzen (OLG Köln, FamRZ 2004, 1114).

Maßgebender Prüfungszeitpunkt für eine vom Normalverlauf abweichende unerwartete Einkommensentwicklung sei beim Trennungs- wie auch beim nachehelichen Unterhalt die Trennung und nicht erst die Scheidung (vgl. BGH FamRZ 1982, 576; 1984, 149; 1991, 307; 1994, 228; OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1254 - Langtext; OLG München, OLGR 2003, 286; OLG Schleswig, OLGR 2003, 184).

Vor der Trennung der Parteien im Februar 2006 sei der Beklagte zuletzt als Anlagenfahrer bis September 2005 tätig...

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