Leitsatz

Die Parteien waren miteinander verheiratet und lebten getrennt. Aus ihrer Ehe war eine gemeinsame minderjährige Tochter hervorgegangen. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht war der Kindesmutter allein übertragen worden.

Die Ehe der Eltern wurde durch Urteil des FamG vom 21.3.2005 geschieden. Die elterliche Sorge für die gemeinsame Tochter verblieb - mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts - beiden Eltern gemeinsam. Der Kindesvater hatte Umgang mit der Tochter in begleiteter Form.

Die Eltern konnten sich nicht darüber einigen, welche weiterführende Schule die gemeinsame Tochter mit Beginn der 5. Klasse im Schuljahr 2005/2006 besuchen sollte.

Der Kindesvater beantragte, ihm die Entscheidung über den Besuch der weiterführenden Schule der gemeinsamen Tochter zu übertragen. Sein Antrag wurde vom FamG zurückgewiesen und die Entscheidung über den Besuch der Schule auf die Kindesmutter allein übertragen.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Kindesvaters, die in der Sache nicht erfolgreich war.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Nach Auffassung des OLG stand im Ergebnis der Anhörung der Beteiligten, der Tochter und der Vernehmung ihrer derzeitigen Klassenlehrerin fest, dass der Kindesvater nicht besser geeignet war als die Kindesmutter, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen. Die von der Kindesmutter bevorzugte Entscheidung zum Besuch des Gymnasiums diente auch zur Überzeugung des OLG eher dem Kindeswohl als der vom Kindesvater gewünschte Besuch einer Gesamtschule.

Das amtsgerichtliche Verfahren leide allerdings an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Das FamG habe entgegen § 50b FGG das betroffene Kind nicht persönlich gehört. Dass schwerwiegende Gründe vorlagen, nach denen das FamG von der Anhörung abgesehen habe, lasse sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Ein schwerwiegender Grund in diesem Sinne könne nicht darin liegen, dass die Eltern auf eine Anhörung ihrer Tochter verzichtet hätten. Der persönlichen Anhörung eines Kindes im Alter von 6 Jahren aufwärts komme in der Regel ein beachtlicher Erkenntniswert zu, weshalb eine Anhörung grundsätzlich geboten sei (OLG Karlsruhe v. 21.1.1993 - 16 UF 273/92, FamRZ 1994, 393).

Die Anhörung eines 10-jährigen Kindes in einem Sorgerechtsverfahren sei regelmäßig geboten, damit der Tatrichter ein besseres Verständnis von der Persönlichkeit, der Situation, aber auch von den Bedürfnissen und Gefühlen des Kindes vermittelt bekomme, um letztendlich eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können.

Die Frage des Besuchs der weiterführenden Schule habe das FamG zutreffend als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung angesehen. Nach der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB seien Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes hätten. Daraus folge, dass Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung all jene seien, die nicht diesen Anforderungen entsprächen. Von erheblicher Bedeutung für das Kind seien jedenfalls Entscheidungen, die die kindliche Entwicklung auf Dauer bestimmten. Hierzu gehöre zweifelsfrei die Wahl der Schulart (Johansen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1687 Rz. 4). Die Vorstellungen der Eltern über die gewünschte Schulart seien am Maßstab des Kindeswohls zu messen. Zu fragen sei also, welche Schulart am ehesten den Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch den Wünschen der Tochter im Hinblick auf die konkret möglichen Schularten am besten entspreche.

Das OLG folgte letztendlich der Auffassung der Kindesmutter, wonach die Tochter nach dem Stand ihrer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft in der Lage sei, einen gymnasialen Bildungsweg zu gehen. Diese Einschätzung werde auch von der Klassenleiterin der Tochter geteilt.

Auch die Tochter selbst habe im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärt, das Gymnasium besuchen zu wollen. Ihrem Wunsch komme zwar keine ausschlaggebende, jedoch eine erhebliche Bedeutung zu, da die Leistungsbereitschaft von Kindern in großem Umfang auch von der Akzeptanz des Schülers für die von ihm besuchte Schulart abhänge.

Zwar setzten die von der Tochter anlässlich ihrer Anhörung geäußerten Berufswünsche ein Abitur nicht voraus. Dem derzeit von ihr geäußerten Berufswunsch komme jedoch in Anbetracht ihres Alters nur eine nachrangige Bedeutung für die Frage der Schulentscheidung zu.

 

Link zur Entscheidung

OLG Rostock, Beschluss vom 09.12.2005, 11 UF 99/05

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