Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamer Vollstreckungstitel: Anforderungen an gerichtlichen Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Sollen bei einem gerichtlichen Vergleich über den Text hinaus Anlagen zum Gegenstand der vergleichsweisen Einigung gemacht werden, so stellt dieser nur dann eine wirksame Vollstreckungsgrundlage dar, wenn die Schriftstücke in dem Protokoll als "Anlage" bezeichnet und diesem beigefügt sind.

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 03.04.2003; Aktenzeichen 4 O 124/03)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

II. Die Anträge des Gläubigers vom 20.1.2003 werden als unzulässig verworfen.

III. Den Schuldner wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren der sofortigen Beschwerde ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.

III. Der Gläubiger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

IV. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 Euro festgesetzt.

 

Gründe

1. Die Parteien schlossen am 17.7.1997 in der Sitzung des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) einen Vergleich, in dem sich die Schuldner verpflichteten, am Anwesen des Gläubigers "die Außenputzsanierung, wie in der Klageschrift gemäß dem vorliegenden Kostenvoranschlag gefordert" zu übernehmen.

Der Gläubiger befindet sich im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs. Die von den Schuldnern bisher vorgenommenen Sanierungsarbeiten sind nach Auffassung des Gläubigers nicht ausreichend. Der Gläubiger hat gem. § 887 ZPO beantragt, ihn zu ermächtigen, die nach dem vollstreckbaren Vergleich den Schuldnern obliegende Außenputzsanierung, wie in der Klageschrift gemäß dem vorliegenden Kostenvoranschlag gefordert, durch ein von ihm zu beauftragendes Fachunternehmen vornehmen zu lassen sowie hierfür eine Kostenvorauszahlung i.H.v. 2.463,72 Euro zu leisten.

Das LG hat diesen Anträgen weitgehend entsprochen. Hiergegen hat der Gläubiger sofortige Beschwerde erhoben.

2. Die sofortige Beschwerde ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793, 569 Abs. 1 und 2 ZPO). Da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde, hat über das Rechtsmittel der erkennende Richter des Senats als Einzelrichter zu entscheiden (§ 568 Abs. 1 S. 1 ZPO).

In der Sache führt die sofortige weitere Beschwerde zum Erfolg.

Die von dem Gläubiger beantragte Zwangsvollstreckung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Vergleich vom 17.7.1997 kein wirksamer Vollstreckungstitel ist. Er ist zumindest als Prozesshandlung unwirksam und hat deshalb den Rechtsstreit nicht beendet. Die Zwangsvollstreckung aus einem Prozessvergleich gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO setzt nämlich voraus, dass der Vergleich formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist und insb. unter Beachtung der Vorschriften über das Sitzungsprotokoll (§§ 159 ff. ZPO) beurkundet wurde (vgl. BGH BGHZ 16, 388 [390]). Nicht ordnungsgemäß protokollierte Vergleiche sind unwirksam und daher als Vollstreckungsgrundlage ungeeignet (vgl. OLG Naumburg - 5 W 101/01, zit. nach juris, m.w.N.).

Ein Zwangsvollstreckungstitel muss gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO den im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers nach Inhalt und Umfang hinreichend bestimmt ausweisen. Ziff. 1. des Prozessvergleichs vom 17.7.1997 stellt - wovon auch das LG ausgeht - mangels eines hinreichend substanziierten Inhalts aus sich heraus keine solche Vollstreckungsgrundlage dar. Dies wäre auch nach Auffassung des Erstrichters allenfalls der Fall, wenn man den Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen S. vom 15.1.1997 zur Konkretisierung von Art und Umfang der Sanierung des Außenputzes, zu dessen Durchführung sich die Schuldner verpflichtet haben, heranziehen könnte. Ob der Vergleichstext, der ausdrücklich nur von der "Klageschrift gemäß dem vorliegenden Kostenvoranschlag" als Bezug nehmende Schriftstücke spricht, inhaltlich eine derartige Bezugnahme auf das Gutachten überhaupt enthält, ist bereits fraglich. Dies kann jedoch offen bleiben. Sollen nämlich über den Text des Vergleichs hinaus Anlagen zum Gegenstand der vergleichsweisen Einigung gemacht werden, wird dem Protokollierungszwang gem. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, wovon die förmliche Wirksamkeit eines Vergleichs abhängt, nur dann Genüge getan, wenn die in Betracht kommenden Schriftstücke gem. § 160 Abs. 5 ZPO in dem Protokoll als "Anlage" bezeichnet und diesem beigefügt werden (vgl. OLG Zweibrücken v. 3.4.1992 - 3 W 63/92, MDR 1993, 84, NJW-RR 1992, 1408; OLG Naumburg - 5 W 101/01, zit. nach juris; OLG Hamm v. 21.12.1999 - 24 U 48/99, MDR 2000, 350). Das fragliche Sachverständigengutachten ist jedoch nicht als Anlage zum Protokoll genommen worden. Darüber hinaus lässt sich nicht feststellen, dass die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 ZPO hinsichtlich des Sachverständigengutachtens beachtet wurden.

Weil diese prozessualen Voraussetzungen nicht beachtet wurden, ist der Vergleich unwirksam und hat den Rechtsstreit nicht beendet (vgl. OLG Hamm v. 21.12.19...

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