Leitsatz (amtlich)

Die Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips ist aus dem Sicherungszweck der Bürgschaft heraus zwar gerechtfertigt, wenn die Hauptschuld aus Gründen untergeht, in ihrem Bestand verringert oder einredebehaftet wird, die auf den Vermögensverfall des Hauptschuldners zurückzuführen sind.

Das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers und die Risikoverteilung zwischen diesem und dem Bürgen erfordert es aber nicht, zugleich eine der gesicherten Verbindlichkeit „anhaftende” kurze Verjährung mit dieser untergehen zu lassen und den Sicherungsgeber auf die 30-jährige Verjährungsfrist der isolierten Bürgschaftsschuld zu beschränken.

(Entgegen KG, NJW-RR 1999, 1206 ff.)

 

Normenkette

BGB § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, §§ 198, 201, 767 Abs. 1 S. 1, § 768 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; EGBGB Art. 229, 6

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 19 O 246/00)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 24.10.2001 – Az.: 19 246/2000 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 6.200 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 31.188,80 Euro (= 61.000 DM).

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Teilklage aus einer Bürgschaft in Anspruch.

Die Klägerin, die früher unter „M.” GmbH firmierte, hat die Firma E. mit medizinischen Geräten zum Weitervertrieb beliefert.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe am 14.11.1989 eine Bürgschaft übernommen unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage, der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit für sämtliche gegenwärtigen oder zukünftigen, bedingten oder unbedingten Forderungen, die der Klägerin gegen die Fa. E. zustehen (wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegte Bürgschaftsurkunde, Anl. K 1, Bl. 4 ff. verwiesen). Der Beklagte sei Gesellschafter und Geschäftsführer der Hauptschuldnerin gewesen. Aufgrund einer Warenlieferung, die am 23.4.1988 in Rechnung gestellt worden sei, stünde ihr gegen die Fa. E. eine Forderung von 70.810 DM zu.

Wegen dieser Forderung nimmt die Klägerin den Beklagten aus der Bürgschaft in Höhe eines Teilbetrages von 61.000 DM in Anspruch.

Die Klägerin hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 61.000 DM nebst 8,5 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Der Beklagte war der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig sei, da über denselben Streitgegenstand bereits der französische Kassationshof rechtskräftig entschieden habe. Außerdem sei die Hauptforderung nicht schlüssig dargelegt, weswegen er sie mit Nichtwissen bestreite.

Das LG wies die Klage ab mit der Begründung, dass sie zwar zulässig – die Entscheidung des französischen Kassationshofes vom 10.12.1998 betreffe einen anderen Streitgegenstand –, aber mangels schlüssigen Vortrags zur Hauptforderung nicht begründet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien und der Begründung der angefochtenen Entscheidung wird auf diese Bezug genommen.

Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und diese form- und fristgerecht begründet.

Die Klägerin vertritt die Meinung, das LG habe die Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag überspannt und nicht beachtet, dass der Beklagte den Bestand der Warenlieferungsforderung nicht wirksam bestritten habe, denn seine Erklärung mit Nichtwissen sei im Hinblick auf die Gesellschaftereigenschaft und Geschäftsführertätigkeit des Beklagten gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig. Im Übrigen spezifiziert die Klägerin die Warenlieferung dahin gehend, dass diese am 24.3.1988 erfolgt sei und 146 Stück Reizstromgeräte zum Stückpreis von 485 DM mit der Waren-Nr. 9… und einem Nettogewicht von 657 kg gem. Lieferschein-Nr.: 3… umfasst habe.

Die Klägerin beantragt: Unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 61.000 DM (= 31.188,80 Euro) nebst 8,5 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt: Die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für richtig.

Erstmals im Berufungsverfahren erhebt er die Einrede der Verjährung der Hauptforderung, weil diese bereits im Jahr 1988 entstanden sein soll. Verjährung sei deshalb am 31.12.1992 eingetreten.

Die Klägerin erwidert auf die Verjährungseinrede, dass durch den am 11.5.1992 erfolgten Schuldbeitritt der Fa. N. die Verjährung nach französischem Recht, das hier zur Anwendung komme, unterbrochen worden sei. Nachdem in Frankreich Handelsforderungen in 10 Jahren verjähren wie auch in Luxemburg, dem Sitz der Hauptschuldnerin, sei die Klageerhebung im September 2000 in unverjährter Zeit erfolgt. Abgesehen davon handele es sich bei der Verjährungseinrede um ein verspätet vorgebrachtes Angriffs- und Verteidigungsmittel. Außerdem sei die Fa. E. b...

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