Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen eines widerrechtlichen Zurückhaltens nach Art. 3 Satz 1 HKiEntfÜ. Zur Versäumung der Jahresfrist des Art. 12 Abs. 1 HkIEntfÜ sowie zum Einleben des Kindes i.S.v. Art. 12 Abs. 2 HKiEntfÜ

 

Normenkette

HKiEntfÜ Art. 3-4, 12

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Beschluss vom 25.01.2012; Aktenzeichen 24 F 2504/11)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers/Beschwerdeführers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Stuttgart vom 25.1.2012 - 24 F 2504/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller/Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf EUR 5.000 festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Rückführung der gemeinsamen Tochter J. G. L., geboren am 20.12.2007.

Der Antragsteller ist belgischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin deutsche Staatsangehörige. Die in G. in Belgien geborene J. besitzt sowohl die belgische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die beteiligten Elternteile haben sich als Studenten im Juni 2006 in Spanien kennengelernt. Nach Rückkehr in ihre jeweiligen Heimatländer führten die Beteiligten eine Fernbeziehung, wobei die Antragsgegnerin im Jahr 2007 schwanger wurde. Am 11.7.2007 ist die Antragsgegnerin im 4. Schwangerschaftsmonat zum Antragsteller nach G. gezogen. Die Beteiligten lebten in der Folgezeit in G. bis zum 31.1.2010 zusammen, wobei sie ihre Beziehung im Laufe des Jahres 2009 bereits beendet hatten. Die Antragsgegnerin ist mit J. am 1.2.2010 unter im Einzelnen zwischen den Beteiligten streitigen Umständen nach Deutschland zurückgekehrt. In der Folgezeit hielt sich J. bis zum 31.8.2010 abwechselnd beim Vater in G. und bei der Mutter in K. in Deutschland auf.

Bereits am 5.6.2010 hatte der Antragsteller beim zuständigen Jugendgericht in G. einen Sorgerechtsantrag eingereicht, wobei die Antragsgegnerin nach deren Vorbringen erstmals am 2.12.2010 hiervon Kenntnis erlangt hatte. Mit Beschluss vom 13.7.2011 wurde das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater übertragen. Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt, wobei eine abschließende Entscheidung nicht vor Ende Juni 2012 ergehen wird.

Am 4.8.2010 teilte die Antragsgegnerin dem antragstellenden Vater mit, dass J. ab September 2010 in K. in den Kindergarten gehen werde. Mit E-Mail vom gleichen Tage erwiderte der Antragsteller, dass ein Einvernehmen hinsichtlich des Kindergartenbesuches in Deutschland niemals erzielt worden sei. Mit der gegenwärtigen Situation sei er jedenfalls nicht einverstanden. Mit einem weiteren E-Mail, datierend vom 9.9.2010 teilte der Antragsteller mit, dass beide Eltern sorgeberechtigt seien. Die Mutter habe seinen Respekt verloren, weil sie die gemeinsame Tochter "gekidnapped" habe. Der Vater schlug eine für alle Beteiligten akzeptable zukünftige Vereinbarung vor; eine solche kam allerdings nicht zustande.

In der Folgezeit befand sich J. im Zeitraum vom 29.10. bis 14.11.2010 beim Vater in Belgien. Den geplanten Weihnachtsumgang sagte die Mutter am 22.12.2010 ab, da zuvor die rechtliche Situation durch das belgische Gericht geklärt sein müsse. Im Februar 2011 befand sich J. für zwei Wochen beim Vater, ebenso vom 15.4. bis 6.5.2011 sowie vom 17.7. bis 15.8.2011. Am 1.9.2011 reichte der Antragsteller bei der zuständigen zentralen Behörde in Belgien einen Rückführungsantrag ein, von dem die Antragsgegnerin Anfang November 2011 Kenntnis erlangt hatte.

Mit Schriftsatz vom 19.12.2011, eingegangen beim Familiengericht Stuttgart am gleichen Tage, stellte der Antragsteller einen Herausgabeantrag zum Zwecke der Rückführung von J. nach Belgien.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht nach Anhörung der Beteiligten den Rückführungsantrag zurückgewiesen. Ab September 2010 habe ein widerrechtliches Zurückhalten vorgelegen. Durch den Aufenthalt von J. in den Herbstferien und den folgenden Ferienaufenthalten beim Vater sei das Zurückhalten allerdings beendet worden sei. Deshalb fehle es an der Kausalität zwischen dem widerrechtlichen Zurückhalten im September 2010 und dem jetzigen Aufenthalt von J. in Deutschland. In der einvernehmlichen Durchführung des Umgangs liege überdies eine konkludente Genehmigung des Vaters.

Gegen diesen dem Antragsteller am 30.1.2012 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13.2.2012 beim AG eingereichte Beschwerde des Antragstellers. Zur Begründung beruft sich der Antragsteller im Wesentlichen auf die weiterbestehende Kausalität zwischen dem widerrechtlichen Zurückhalten und dem jetzigen Aufenthalt von J. in Deutschland sowie auf die fehlende (konkludente) Genehmigung. Die Jahresfrist sei nicht versäumt worden, jedenfalls aber habe sich J. nicht in K. eingelebt.

Die Antragsgegnerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Mit Beschluss vom 5.3.2012 hat der Senat für J. einen Verfahrensbeistand bestellt.

Der Senat hat J. und deren Eltern in der Sitzung vom 17.4.2012 ausführlich angehört. Der Verfahrensbeistand hat in der Sitzun...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge