Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung einer Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 BGB. Zuständigkeit bei Anordnung einer Ergänzungspflegschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Für das Verfahren über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft gem. § 1909 BGB ist grundsätzlich das Vormundschaftsgericht zuständig. Die – kumulative – Zuständigkeit des Familiengerichts gem. §§ 1693, 1697 BGB n.F. besteht nur bei dringendem Handlungsbedarf.

 

Normenkette

BGB §§ 1693, 1697, 1909

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Aktenzeichen 12 F 964/00)

 

Tenor

Aus zuständiges Gericht wird das

Notariat S. – Vormundschaftsgericht –

bestimmt.

 

Gründe

I.

Zwischen dem Vater und den Kindern bestehen Unterbeteiligungsverhältnisse am Gesellschaftsanteil des Vaters an der … Aufgrund einer durch die Aufgabe der industriellen und gewerblichen Tätigkeit bedingten Veränderung des Zwecks dieser Gesellschaft in eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit wurde der Gesellschaftsvertrag … grundlegend überarbeitet. Der Vater trägt vor, daß wegen der Veränderung des Gesellschaftsvertrages der Kommanditgesellschaft auch eine Neufassung der Unterbeteiligungsverträge erforderlich sei. Soweit eine Vertretung der Kinder durch einen Ergänzungspfleger für erforderlich gehalten werde, wird eine diesbezügliche Bestellung beantragt. Weiterhin sollen zwischen dem Vater und den Kindern neue Unterbeteiligungsverträge über Gesellschaftsanteile des Vaters an separaten Vermögensverwaltungsgesellschaften abgeschlossen werden. Auch insoweit wird die Bestellung eines Ergänzungspflegers beantragt.

Das Notariat S. – Vormundschaftsgericht – hat sich durch Beschluß vom 22. Mai 2000 (7 GRN 522/00) für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft im Sinne von § 1909 BGB für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Stuttgart – Familiengericht – weitergeleitet. Das Amtsgericht Stuttgart – Familiengericht – hat sich durch Beschluß vom 31. Mai 2000 ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Senat zur Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

1.

Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO durch das Oberlandesgericht zu bestimmen.

a) Bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen einem Vormundschaftsgericht und einem Familiengericht, die innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterschiedlichen Verfahrensordnungen unterliegen, ist in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO zu entscheiden (BGHZ 78, 108, 110; BayObLGZ 1994, 91, 92; Zöller-Vollkommer, 21. Aufl., § 36 ZPO Anm. 29; Thomas/Putzo, 20. Aufl., § 36 ZPO Anm. 22), wenn der negative Kompetenzkonflikt darum geht, ob das Verfahren eine Familiensache im Sinne von § 23 b Abs. 1 Nr. 2 GVG, § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO betrifft oder der Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts (§ 35 FGG in Verbindung mit § 36 baden-württ. LFGG) zuzuordnen ist.

b) Zuständig für die Gerichtsstandsbestimmung ist gemäß § 36 Nr. 6 ZPO das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht. Das ist hier das Oberlandesgericht Stuttgart.

Für die Beurteilung, welches Gericht als das im Rechtszug zunächst höhere anzusehen ist, ist maßgeblich auf die Rechtsmittelzuständigkeit in der konkreten Verfahrensart abzustellen (vgl. BGHZ 104, 363/366). Ist nach den in Betracht kommenden Verfahrensordnungen kein gemeinsames Rechtsmittelgericht gegeben, dann ist der allgemeine Gerichtsaufbau nach dem Gerichtsverfassungsgesetz maßgebend (vgl. BGH NJW 1979, 2249). In dem hier vorliegenden Fall ist für das Vormundschaftsgericht das Landgericht Stuttgart als Beschwerdegericht zuständig (§ 19 FGG), während für das Familiengericht die Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts – Familiensenat – gegeben ist (§§ 621 a Abs. 1 Satz 1, 621 e Abs. 1 ZPO). Da das Oberlandesgericht im allgemeinen Gerichtsaufbau gegenüber dem Landgericht das nächsthöhere Gericht ist, fällt ihm die Kompetenz zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits zu.

2.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Nr. 6 ZPO liegen vor, da sich das Notariat S. – Vormundschaftsgericht – durch Beschluß vom 22. Mai 2000 und das Amtsgericht S. – Familiengericht – durch Beschluß vom 31. Mai 2000 für sachlich unzuständig erklärt haben. Nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen reicht die tatsächlich erklärte und verbindlich gewollte Kompetenzleugnung für eine „rechtskräftige” Unzuständigkeitserklärung im Sinne des § 36 Nr. 6 ZPO aus (BGHZ 78, 108,111; BGHZ 104, 363/366 m.w.N.).

3.

Zuständig ist das Vormundschaftsgericht …

Die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ist gemäß §§ 1909, 1915 Abs. 1 BGB der originären Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts zugewiesen. Der Gesetzgeber hat an dieser Zuständigkeitsregelung durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Kindschaftsrechtsreformgesetz keine Änderung vorgenommen. Deshalb läßt sich aus dem vom Gesetzgeber im Kindschaftsrechtsreformgesetz vorgenommenen Wechsel der Zuständigkeit in §§ 1693, 1697 BGB n.F. vom Vormundschaftsgericht zum Familiengericht entgegen der vermehrt in der Rechtsprechung vertretenen ...

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