Leitsatz (amtlich)

Enthält ein Erbvertrag eine Pflichtteilsstrafklausel mit einer aufschiebend bedingten Enterbung, so kann ein Pflichtteilsverlangen auf den Tod des Zuerststerbenden nur bis zum Tod des Letztversterbenden zum Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge führen.

 

Normenkette

BGB § 1938

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 wird der Beschluss des Notariats Fichtenau - Nachlassgericht - vom 06.07.2015, Az. NG 23/2014,

aufgehoben.

2. Der Erbscheinsantrag des Beteiligten Ziff. 1 vom 02.02.2015 wird

zurückgewiesen.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 50.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am XXX verstorbene Erblasserin war verwitwet. Ihr Ehemann XXX ist am XXX vorverstorben. Aus der Ehe sind 4 Abkömmlinge hervorgegangen, nämlich die Beteiligten Ziff. 1 und 2 sowie die bereits früh ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorbenen weiteren Geschwister XXX.

Die Erblasserin hat mit ihrem Ehemann XXX am 02.10.1951 vor dem Bezirksnotariat Wildenstein einen Ehevertrag sowie einen Erbvertrag (Bl. 9 d.A.) geschlossen. In dem Erbvertrag haben die Erblasserin und ihr Ehemann unter anderem folgende Regelungen getroffen:

Wir setzen uns gegenseitig für alle Fälle als Alleinerben ein.

Der Zuerststerbende wendet jedem Abkömmling ein Geldvermächtnis in Höhe des Werts des gesetzlichen Erbteils unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht zu.

Das Vermächtnis fällt sofort an, es ist jedoch erst mit dem Tode des Überlebenden zahlungsfällig und bis dahin unverzinslich. Zum Zwecke der Feststellung der Höhe des Vermächtnisses ist der Überlebende auf Verlangen eines Vermächtnisnehmers oder des Vormundschaftsgerichts verpflichtet, den Nachlass des Zuerstverstorbenen zu verzeichnen.

Verlangt ein Abkömmling auf den Tod des Zuerststerbenden unter Ausschlagung des Vermächtnisses den Pflichtteil, dann ist er und seine Abkömmlinge von der Erbfolge am Überlebenden ausgeschlossen. Diese Verfügung kann der Überlebende einseitig widerrufen. Sie gilt nur, wenn neben dem das Vermächtnis ausschlagenden Abkömmling weitere Abkömmlinge vorhanden sind.

Der Beteiligte Ziff. 1 hat am 17.11.2014 zur Niederschrift des Notariats Fichtenau - Nachlassgericht - die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach er und die Beteiligte Ziff. 2 je mit einem Erbteil von 1/2 Erben der Erblasserin geworden sind. Die hierzu angehörte Beteiligte Ziff. 2 hat durch Schreiben an das Nachlassgericht vom 01.12.2014 mitgeteilt, sie habe Einwendungen gegen den beantragten Erbschein. Sie stelle "gemäß der Vermächtnisregelung nunmehr den Antrag auf Feststellung und Auszahlung des mir zustehenden Pflichterbteils". Dem Erbscheinsantrag könne "unter Hinzufügung des Absatzes, dass der Pflichterbteil gegenüber meinem verstorbenen Vater nunmehr gegenüber dem Hofübernehmer XXX geltend gemacht wird, erfolgen".

Der Beteiligte Ziff. 1 hat hierzu vorgetragen, Pflichtteilsansprüche aus dem Erbfall des Vaters würden nachdrücklich bestritten. Das Verlangen der Beteiligten Ziff. 2 erfülle indes die Pflichtteilsklausel der Ziffer 7 des Ehe- und Erbvertrages vom 02.10.1951 und bewirke dadurch den Ausschluss der Beteiligten 2 aus der Schlusserbenstellung nach dem Tode der Erblasserin. Dem stehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weder entgegen, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt des Verlangens bereits verstorben war, noch stehe nach dieser Rechtsprechung eine Annahme der Erbschaft dem Eintritt der auflösenden Bedingung entgegen. Die Beteiligte Ziff. 2 habe durch ihre "Einwendungen" somit ihre Stellung als Schlusserbin nach der Mutter verloren. Bereits mit einem Schreiben vom 10.12.2012 - also noch zu Lebzeiten der Erblasserin - habe die Beteiligte Ziff. 2 versucht, einen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch aus dem Erbfall des Vaters herzuleiten und geltend zu machen.

Der Beteiligte Ziff. 1 hat deshalb in Abänderung seines ursprünglichen Erbscheinsantrages zuletzt die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.

Die Beteiligte Ziff. 2 ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, sie verfüge über keine juristischen Kenntnisse und habe aus Verärgerung über ihre stete Benachteiligung durch ihre Eltern und ihren Bruder aus emotionaler Erregung jetzt noch den väterlichen Pflichterbteil geltend gemacht, ohne Kenntnis der tatsächlichen Auswirkungen auf die Stellung als Schlusserbe. Sie ziehe diesen Antrag auf väterlichen Pflichterbteil förmlich zurück.

Durch Beschluss vom 06.07.2015 hat das Notariat Fichtenau - Nachlassgericht - die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins für festgestellt erachtet, wonach der Beteiligte Ziff. 1 Alleinerbe der Erblasserin geworden ist. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Gegen den ihr am 09.07.2015 zugestellten Beschluss vom 06.07.2015 wendet sich die Beteiligte Ziff...

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