Leitsatz (amtlich)

Wegen Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG ist strafbar, wer bei Dunkelheit die Fahrzeugbeleuchtung und damit auch die Kennzeichenbeleuchtung ausschaltet, um (auch) die Ablesbarkeit des hinteren Kennzeichens zu vereiteln.

 

Normenkette

StVG § 22 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Göppingen (Entscheidung vom 22.02.2011; Aktenzeichen 1 Cs 45 Js 653/11 Hw.)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Göppingen vom 22. Februar 2011 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen

a u f g e h o b e n .

2. Die weitergehende Revision wird

v e r w o r f e n .

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgericht Göppingen

z u r ü c k v e r w i e s e n .

 

Gründe

I. S. wurde durch Urteil des Amtsgerichts Göppingen, Jugendrichter, vom 22. Februar 2011 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, tateinheitlich begangen mit Kennzeichenmissbrauch, zu der Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15 Euro, insgesamt somit 750 Euro, verurteilt. Zudem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und eine Fahrerlaubnissperre von acht Monaten angeordnet.

Der Angeklagte hat gegen das amtsgerichtliche Urteil das Rechtsmittel der Sprungrevision eingelegt. Mit der Sachrüge beanstandet er, dass die Feststellungen im Urteil eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nicht trügen, sondern lediglich eine solche wegen fahrlässiger Begehung, sowie, dass ein Vergehen des Kennzeichenmissbrauchs nicht vorläge.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Verwerfung der Revision als offensichtlich unbegründet.

II. Auf die Revision des Angeklagten ist das Urteil des Amtsgerichts Göppingen vom 22. Februar 2011 im Rechtsfolgenausspruch mitsamt den zugehörigen Feststellungen aufzuheben. Im übrigen ist die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

1. Die Nachprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart in der Zuschrift vom 19. Mai 2011 Bezug. Die Ausführungen des Verteidigers in seiner Gegenerklärung vom 27. Mai 2011 führen zu keiner anderen Bewertung.

Hinsichtlich der tateinheitlichen Verurteilung wegen Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG ist ergänzend zu bermerken:

Nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG macht sich strafbar, wer in rechtswidriger Absicht das an einem Kraftfahrzeug oder einem Kraftfahrzeuganhänger angebrachte amtliche Kennzeichen verändert, beseitigt, verdeckt oder sonst in seiner Erkennbarkeit beeinträchtigt. Der Senat hält an der Auffassung fest, dass der Tatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 4 StGB erfüllt ist, wenn ein Fahrer an seinem Kraftfahrzeug die (Kennzeichen-)Beleuchtung ausschaltet, um anschließend mit seinem Kraftfahrzeug unerkannt davonfahren und eine Kontrolle durch ein ihn verfolgendes Polizeifahrzeug vereiteln zu können (vgl. OLG Stuttgart, VRS Band 34, S. 69f.; so auch BayObLG, Urteil vom 08.08.1980, 1 St 252/80 - zitiert nach Rüth, Die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Verkehrsstrafsachen und Bußgeldsachen, DAR 1981, S. 237ff., 242; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, 2009, StVG, § 22 Rdnr. 5; ablehnend: AG Bielefeld, NZV 2002, S. 242; Janker in Burmann/Hess/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, StVG, 21. Auflage, 2010, § 22 Rdnr. 5; Zopfs, Kennzeichenmissbrauch durch Nichtbeleuchten des Kennzeichens?, NZV 2008, S. 387ff.).

a) Das in § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG unter Strafe gestellte Verhalten und der dort verwandte Begriff des amtlichen Kennzeichens knüpfen an die einschlägigen Normen der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) an. Nach § 10 Abs. 2 FZV müssen Kennzeichenschilder reflektierend sein und dürfen nicht spiegeln, verdeckt oder verschmutzt oder zusätzlich mit Glas, Folien oder ähnlichen Abbildungen versehen sein. § 10 Abs. 6 FZV trifft speziell für die hinteren Kennzeichen Regeln zu deren Anbringung und Sichtbarkeit. § 10 Abs. 6 Satz 2 FZV normiert hierbei, dass hintere Kennzeichen eine Beleuchtungseinrichtung haben müssen, welche das ganze Kennzeichen auf 20 m lesbar macht.

Die Kennzeichenbeleuchtung ist Bestandteil des hinteren Kennzeichens. Sie hat ausschließlich - anders als die übrigen Beleuchtungseinrichtungen eines Kraftfahrzeugs - den Zweck, dessen Ablesbarkeit bei Dunkelheit zu gewährleisten. Hierbei verpflichtet § 17 Abs. 1 StVO den Fahrer, bei Dämmerung, Dunkelheit oder schlechten Sichtverhältnissen die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen, somit auch die Kennzeichenbeleuchtung, einzuschalten.

§ 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG nimmt diese Anforderungen aus der Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf und stellt bestimmte Verhaltensweisen, die die Erkennbarkeit des amtlichen Kennzeichens betreffen und § 10 Abs. 2, Abs. 6 FZV zuwiderlaufen, unter einen höheren - strafrechtlichen - Schutz. Die Möglichkeit, am Str...

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