Leitsatz (amtlich)

Vor einer sog Katarakt-Operation zur Behandlung der Eintrübung einer Augenlinse (grauer Star) muß über das Risiko einer operationsbedingten Erblindung aufgeklärt werden.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Entscheidung vom 26.06.1998; Aktenzeichen 8 O 1737/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 26. Juni 1998 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 04.07.1997 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin den Zukunftsschaden aus der Operation vom 05.09.1996 zu ersetzen hat, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen, und die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für beide Parteien 60.000,00 DM nicht.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Ersatz für immaterielle Schäden und Feststellung der Ersatzpflicht für alle Zukunftsschäden im Zusammenhang mit einer Augenoperation. In der Berufungsinstanz ist nur noch im Streit, ob der Beklagte die Klägerin vor der Operation hinreichend aufgeklärt hat.

Bei der vom Beklagten - Belegarzt im ... hospital ... - am 05.09.1996 durchgeführten sog. Katarakt-Operation wegen Eintrübung der Linse des rechten Auges (grauer Star) kam es zu einer Kapselruptur. Nachdem sich postoperativ weiterhin Linsenreste zeigten, wurde auf Überweisung des Beklagten im ... Hospital eine Revisionsoperation vorgenommen, bei der die zuvor eingesetzte Hinterkammerlinse entfernt und eine Vorderkammerlinse implantiert wurde. Der stationäre Aufenthalt dauerte bis zum 14.09.1996.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe den Eingriff ohne Erwähnung irgendwelcher Risiken lediglich als Routineangelegenheit bezeichnet. Durch die Operation sei sie rechts irreparabel nahezu erblindet. Ihre Schmerzensgeldvorstellung hat sie mit 10.000,00 DM angegeben.

Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin im Rahmen ihrer intellektuellen Aufnahmefähigkeit ausreichend aufgeklärt und dabei u.a. auch auf die seltene Gefahr einer Linsenrindenverletzung hingewiesen zu haben, die den Operationserfolg in Frage stellen könne.

Das Landgericht hat - sachverständig beraten - die Klage abgewiesen. Es hat nach Feststellung einer behandlungsfehlerfreien Operation offengelassen, ob und inwieweit sich das Sehvermögen verschlechtert habe und ob im Hinblick auf das Risiko einer Kapselruptur, die in der unterschriebenen Einwilligungserklärung nicht erwähnt sei, eine Aufklärungspflicht bestanden habe. Da der sog. graue Star unbehandelt zur weiteren Verschlechterung der Sehfähigkeit bis zur Erblindung führe, könne die Klägerin mangels echter Behandlungsalternative nicht damit gehört werden, sie hätte die Operationseinwilligung bei Kenntnis von dem sehr seltenen Risiko einer Kapselruptur verweigert.

Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Unter ergänzender Bezugnahme auf ihr entsprechendes erstinstanzliches Vorbringen bekräftigt sie ihren Vorwurf, der Beklagte habe mit der bloßen unspezifizierten Erwähnung möglicher "unerwünschter Nebenfolgen" insbesondere ohne Hinweis auf die bei Durchführung der Katarakt-Operation bestehenden Risiken der Kapselruptur, erneuter Operationen, der vollständigen Erblindung und der Notwendigkeit, bei Eintritt von Komplikationen sie in eine mit geeigneteren Geräten ausgestattete Augenklinik zu überweisen, seiner Aufklärungspflicht nicht genügt. Ihre Operationseinwilligung sei daher unwirksam; bei ausreichender Eingriffsaufklärung hätte sie sich zunächst noch anderweitig beraten lassen und ggfls. auf eine Operation durch den Beklagten verzichtet und stattdessen einen Eingriff in einer besser ausgestatteten Augenklinik in Betracht gezogen.

Im Hinblick auf die mißglückte Operation und der noch erforderlich werdenden weiteren Behandlung beantragt sie,

das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 26.06.1998 abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, ihr ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 12 % Zinsen seit dem 06.09.1996 zu zahlen;

2. festzustellen, daß der Beklagte ihr den Zukunftsschaden aus der fehlgeschlagenen Operation am 05.09.1996 zu ersetzen hat.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung, in der er bekräftigt, der Klägerin und ihrem Ehemann die Operationsrisiken mit einfachen Worten in der erforderlichen Weise nahegebracht zu haben, was diese nach seinem Eindruck auch verstanden hätten. Auf das Erblindungsrisiko habe er allerdings nicht hingewiesen. Dieses Risiko sei aber vernachlässigungswürdig; eines gesonderten Hinweises darauf habe es angesichts seiner Erläuterungen, daß im Falle der Verletzung der Linsen...

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