Leitsatz (amtlich)

Die Absicht, den Bestand eines Unternehmens zu erhalten und dieses auf einen geeigneten Nachfolger zu übertragen als billigenswertes Eigeninteresse des Erblassers i.S.v. § 2287 BGB.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 16.06.2010; Aktenzeichen 10 O 1571/09)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 16.6.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Osnabrück wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Erbansprüche nach dem am 7.6.2008 verstorbenen Erblasser H. B.

Der Erblasser hatte drei Kinder, und zwar H.(vorverstorben am 18.6.2007), J. (der Beklagte) und I. Die Kläger zu 1. und 2. sowie der hinter der Klägerin zu 3) stehende A. (im Folgenden: die Kläger) sind Kinder von H. B. bzw. Enkel des Erblassers.

Am 16.7.1992 schlossen der Erblasser, seine Ehefrau E. und ihre drei Kinder einen Erb- und Erbverzichtsvertrag (UR-Nr. 136 des Notars ...). Hierin setzten sich die Eheleute E. und H. B. wechselseitig zu "alleinigen Vorerben" ein und beriefen ihre Kinder zu "alleinigen Nacherben". Sie bestimmten gleichzeitig, dass bei Vorversterben ihre Kinder Erben werden sollen.

Das Vermögen des Erblassers bestand hauptsächlich in Anteilen an drei Geschäftsbetrieben, und zwar der B. O. G., der H. B. O. und der H. B. G. sowie einem Betriebsgrundstück. Die Anteile an den Betrieben sowie das Grundstück sollten an den Sohn H. gehen, und zwar zum Zweck der Firmenfortführung. Für die weiteren Kinder war ein anderweitiger Ausgleich vorgesehen.

Im Hinblick auf den Betriebsübergang bestimmte der Erblasser in Teil I unter Ziff. 5 folgendes:

Für den Fall der Rechtsnachfolge nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen ... verfüge ich folgende Teilungsanordnung und folgendes Vorausvermächtnis:

a) Mein Unternehmen Fahrschule und meine Unternehmensbeteiligungen erbt mein Sohn H. B., soweit ich nicht schon zu Lebzeiten hierüber verfüge.

b) Meinen Grundbesitz, insbesondere den Grundbesitz, der betrieblichen Belangen dient, erbt ebenfalls mein Sohn H. B.; insoweit behalte ich mir vor, gegebenenfalls einen Teil meines Grundbesitzes zu Lebzeiten meinem Sohn J. zu übereignen, wenn dies zur Arrondierung des Grundbesitzes, den er als Erbteil von meiner Ehefrau haben soll, angezeigt ist.

Ende 2006/Anfang 2007 sah sich der Erblasser vor die Notwendigkeit gestellt, die Betriebsnachfolge anders zu regeln. Sein Sohn H. war schwer an Krebs erkrankt. Ab Anfang 2007 war mit einer Genesung nicht mehr zu rechnen. Im Anschluss an juristische und steuerrechtliche Beratungen entschloss sich der Erblasser, sein Firmenvermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden auf den Beklagten zu übertragen. Die hierzu nötigen Verträge wurden 2007/2008 geschlossen und vollzogen.

Die Kläger halten diese Geschäfte für unwirksam. Sie machen geltend, der Erblasser habe hiermit gegen die Bindungswirkung des Erbvertrags verstoßen. Der Erblasser sei nicht befugt gewesen, anderweitig über sein Firmenvermögen zu verfügen. Zudem sei die Übertragung der Geschäftsanteile auf den Beklagten auch aus gesellschaftsrechtlichen Gründen gescheitert. Zumindest sei der Beklagte zum Wertersatz verpflichtet.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Erblasser habe zu Lebzeiten frei über sein Vermögen verfügen dürfen. Dies folge schon aus Rechtsgründen. Dem Erblasser sei zudem eine lebzeitige Übertragung ausdrücklich freigestellt worden. Daher scheide auch ein Wertersatzanspruch aus. Dieser scheitere auch deswegen, weil die Übertragung des Firmenvermögens einem berechtigten Eigeninteresse des Erblassers entsprochen habe. Der Erblasser habe hiermit den Erhalt bzw. Bestand seines Geschäftsbetriebs sichern wollen.

Der Einzelrichter der 10. Zivilkammer des LG Osnabrück hat mit seinem am 16.6.2010 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Er führt aus, der Erblasser sei durch den Erbvertrag vom 16.7.1992 nicht daran gehindert gewesen, über seine Gesellschaftsanteile und seinen Grundbesitz zu Lebzeiten zu verfügen. Eine Benachteiligungsabsicht sei nicht feststellbar, da der Erblasser an den von ihm getroffenen Verfügungen ein nachvollziehbares Eigeninteresse gehabt habe.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger. Sie rügen, das LG sei rechtsfehlerhaft von einer Wirksamkeit der Verfügungen des Erblassers ausgegangen. Der Erbvertrag enthalte auch keinen Verfügungsvorbehalt zugunsten des Erblassers. Weiterhin wiederholen sie ihren Rechtsstandpunkt, dass der Erblasser kein berechtigtes Interesses daran gehabt habe, sein Vermögen anderweit zu übertragen.

Die Kläger beantragen,

a) das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass sie hinsichtlich des Nachlasses Fahrschule B. G., B. O. G., H. B. G., Unternehmensbeteiligungen des Erblassers und des betrieblichen Belangen dienenden Grundbesitzes des Erblass...

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