Leitsatz (amtlich)

Die Verwendung von Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen für den Erwerb sog. „VW-Zeitwertpapiere” zur Ermöglichung späterer Altersteilzeit ist nicht als Altersvorsorge (wie z.B. Riesterrente, VW-Beteiligungsrente II), sondern als sonstige Vermögensbildung anzusehen und deshalb zumindest bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.

 

Verfahrensgang

AG Emden (Beschluss vom 20.08.2003; Aktenzeichen 16 F 706/01)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG – FamG – Emden vom 20.8.2003 unter Zurückweisung des Rechtsmittels i.Ü. dahingehend geändert, dass Prozesskostenhilfe bewilligt wird, soweit Elementarunterhalt i.H.v. 783 Euro sowie Vorsorgeunterhalt in beantragter Höhe von 66,84 Euro beansprucht wird.

 

Gründe

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen den Beschluss des AG – FamG – Emden vom 20.8.2003, durch welchen die beantragte Prozesskostenhilfe für ihren im Scheidungsverbundverfahren gestellten Antrag auf Zahlung nachehelichen Elementar-, Rentenvorsorge- und Krankenvorsorgeunterhalts nur eingeschränkt bewilligt, i.Ü. jedoch versagt wurde.

Sie macht im Rahmen ihrer Beschwerde geltend, dass die Zahlungen des bei der …-AG beschäftigten Antragstellers auf ein sog. „Zeitwertpapier” nicht zu ihren Lasten einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten, wie es der Berechnungsweise des angefochtenen Beschlusses entspricht. Dieser hatte die Nichtberücksichtigung der dergestalt eingesetzten Beträge damit begründet, dass die entspr. Beträge (im Jahre 2002 insgesamt 9.133,94 Euro) nicht als geldwerte Einkommensbestandteile für Unterhaltszwecke zur Verfügung stünden und der Antragsgegnerin i.Ü. bei Eintritt des Versorgungsfalles durch entspr. höhere Einkünfte des Antragstellers zugute kämen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässig und teilweise auch begründet.

Die Antragsgegnerin macht zutreffend geltend, dass die vollständige Außerachtlassung der Zahlungen des Antragstellers auf das Zeitwertpapier der …-AG für sie eine unterhaltsrechtlich nicht hinnehmbare Belastung darstellt. Die Ansparungen des Antragstellers für das Zeitwertpapier stellen keine Altersvorsorgemaßnahme dar. Sie ermöglichen diesem vielmehr primär die flexible Gestaltung seiner Lebensarbeitszeit und werden von dem Senat daher als Maßnahme der Vermögensbildung eingeordnet.

Nach der ab 1.1.1998 gültigen, zwischen dem Vorstand und dem Gesamtbetriebsrat der … AG als Ergänzung des „Tarifvertrages über Altersteilzeit” geschlossenen Betriebsvereinbarung sind die Zeit-Werte „ein Beitrag zur Beschäftigungssicherung, um die in der Altersteilzeit zu erbringende Arbeitsleistung zu verkürzen. Sie dienen der Gestaltung der Lebensarbeitszeit … . Nur für den Fall, dass Zeit-Werte wegen des Erreichens der Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, wegen der Beendigung der Beschäftigung aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit oder wegen des Todes des/der Beschäftigten nicht mehr für Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, wird von Beginn an eine Verwendung der Zeit-Werte im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung (Beteiligungsrente II) vereinbart; ..”

Bei einem Verbleib in dem …-Konzern kann der Antragsteller die Zeit-Wertpapiere somit zur individuellen Gestaltung der Altersteilzeit verwenden, wobei die zu erbringende Arbeitsleistung um die angesammelten Zeit-Werte reduziert werden. Dabei kann die bezahlte Freistellung umso eher beginnen, je höher das Zeit-Wertguthaben angespart wurde. Wünscht der Antragsteller keine Altersteilzeit, so kann das Zeit-Wertguthaben auch für einen früheren Ausstieg aus dem Berufsleben ab dem 55. Lebensjahr verwendet werden. Je nach Höhe des angesparten Guthabens reduziert sich dabei die noch verbleibende Arbeitszeit (vgl. hierzu insgesamt die Broschüre „Das … Zeit-Wertpapier”,…-AG, … 2002).

Während der …-Konzern seinen Mitarbeitern somit die Ansparung von Zeitwerten zur Gestaltung der Lebensarbeitszeit ermöglicht, bietet er diesen zugleich mit der sog. „Beteiligungsrente II” explizit ein Altersvorsorgemodell mit der ausdrücklichen Zielrichtung an, die bei der gesetzlichen Rentenversicherung entstandene „Versorgungslücke im Alter zu reduzieren bzw. die nach der Altersteilzeit zu erwartenden individuellen Rentenminderungen auszugleichen (vgl. Ziff. I der ab 1.4.2003 gültigen „Betriebsvereinbarung zur Beteiligungsrente II”).

Der Antragsteller hat sich für Ansparungen auf Zeit-Werte entschieden, was der Senat nach dem Vorstehenden als besondere Form der Vermögensbildung bewertet, deren Schwerpunkt nicht im Bereich der Altersvorsorge angesiedelt ist. Einkommensbestandteile, die – wie die Ansparungen des Antragstellers auf Zeit-Werte – während der Zeit des ehelichen Zusammenlebens der Vermögensbildung dienten, können im Rahmen der Bedarfsbestimmung jedoch nur dann außer Ansatz bleiben, wenn die Parteien in solchermaßen gehobenen Einkommensverhältnissen lebten, di...

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