Entscheidungsstichwort (Thema)

„Erstes Schadensereignis” im Sinne des § 4 Abs. 1a ARB 94

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Auslegung des Begriffs des „ersten Schadensereignisses” im Sinne des § 4 Abs. 1a ARB 94 ist zur Vermeidung eines absurden Ergebnisses nur möglich, wenn die anerkannten Auslegungsmethoden der „gesetzesähnlichen” Auslegung angewendet werden.

2. Eine solche Auslegung ist dann zulässig, wenn sich diese zugunsten des Versicherungsnehmers auswirkt.

3. Dies ist bei der Interpretation des § 4 Abs. 1a ARB 94 der Fall: Das „erste Schadensereignis” im Sinne dieser Klausel ist zugunsten des Versicherungsnehmers dahin zu begrenzen, dass auf den Beginn des Pflichtverstoßes durch den haftpflichtigen Dritten (Schädiger) abzustellen ist, auf den sich der Versicherungsfall des begehrten Schadensersatz-Rechtsschutzes bezieht. Vorangehende Pflichtverstöße und Kausalbeiträge von Personen, die außerhalb dieses Haftpflicht-Verhältnisses stehen, bleiben außer Betracht.

 

Normenkette

ARB 94 § 4 Abs. 1a

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 6 O 9462/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 25.09.2002; Aktenzeichen IV ZR 248/01)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 13.2.2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Klägerin im Kostenausspruch durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 10.000 DM abzuwenden, sofern nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Sämtliche Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

IV. Die Beschwer der Beklagten beträgt 13.804 DM.

V. Gegen dieses Urteil wird die Revision zum BGH zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.804 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt eine Geflügelzucht nebst Geflügelschlachterei auf dem Anwesen in W., W. Am 1.4.1999 schloss sie mit der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag. Dieser umfasste u.a. auch den Schadensersatzrechtsschutz und Berufsrechtsschutz für Selbstständige.

Am 13.12.1999 strahlte der S. die Sendung „R.” aus, in deren Verlauf falsche geschäftsschädigende Äußerungen über den Betrieb der Klägerin erfolgten. Der Inhalt dieser Fernsehsendung bezog sich auf Ereignisse, die vor dem 1.4.1999 stattgefunden haben. Seit Jahren stand das Unternehmen der Klägerin in der öffentlichen Kritik wegen des von ihm ausgehenden Güllegeruchs, aber auch wegen der Art der Tierhaltung. Noch im Jahr vor Abschluss des Versicherungsvertrages demonstrierten deswegen Anwohner und Tierschützer vor dem Unternehmen der Klägerin. Die Beschwerden der Anwohner halten bis heute an.

Durch die Sendung des S. entstanden der Klägerin vermögensrechtliche Schäden. Der S. lehnte eine Abwendung von Schadensersatzansprüchen ab.

Die Klägerin klagte deshalb vor dem LG Mainz im Verfahren 1 O 104/00 und beantragt Schadensersatz i.H.v. 100.000 DM, die Feststellung, dass die Beklagte (S., Anstalt des öffentlichen Rechts) verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus der Berichterstattung des Südwestfunks in der Sendung „R.” vom 13.12.1999 über den Betrieb der Klägerin noch entstehen wird, und den S. zu verurteilen, an die Klägerin die von ihren Mitarbeitern am 10.12.1999 auf ihrem Betriebsgelände gefertigten Bilder und Filmaufnahmen über ihren Betrieb herauszugeben. Auf die von der Beklagten vorgelegte, ihr von der Klägerin übersandte Klage, wird insoweit vollinhaltlich Bezug genommen.

Die Beklagte verweigerte zuletzt mit Schreiben vom 29.9.2000 die Erteilung einer Deckungszusage (Anlage K 2), da ein vorvertraglicher Versicherungsfall vorliege. Unstreitig hat das LG Mainz im o.g. Verfahren inzwischen einen Beweisbeschluss erlassen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe gegen die Beklagte gem. dem zum Inhalt des Versicherungsvertrags gemachten ARB 94 Anspruch auf Versicherungsschutz zu. Der Rechtsschutzfall habe sich nach Beginn des Versicherungsvertrages ereignet. Entscheidend sei nämlich die Ausstrahlung der Sendung vom 13.12.1999.

Die Klägerin hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Rahmen des Rechtsschutzversicherungsvertrages Nr. … Versicherungsschutz zu gewähren für die auf Schadensersatz gerichtete Klage, die beim LG Mainz unter dem Az. 1 O 104/00 geführt wird.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, das erste gem. § 4 Abs. 1a ARB 94 maßgebliche Ereignis, das den Schaden der Klägerin verursacht habe, sei nicht die Fernsehsendung vom 13.12.1999, sondern die vorangegangenen zum Inhalt dieser Sendung gemachten Ereignisse. Diese lägen aber vor Abschluss des Versicherungsvertrages.

Im Übrigen habe die Klage auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Das LG Nürnberg-F...

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