Leitsatz (amtlich)

Zwischen einer Berufsausbildung zum Holzbildhauer und dem Studium der Architektur kann je nach Ausgestaltung im Einzelfall ein derart enger sachlicher Zusammenhang bestehen, dass es sich hierbei um eine einheitliche Erstausbildung des unterhaltsberechtigten Kindes handelt.

 

Normenkette

BGB § 1610 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Regensburg (Aktenzeichen 209 F 748/22)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 15.11.2022, Az. 209 F 748/22, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.332,28 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner beanstandet, dass er von dem Amtsgericht zur Zahlung von Kindesunterhalt für seine bereits volljährige Tochter verpflichtet wurde.

Der Antragsgegner ist Vater des Kindes T... D..., geb. 26.05.1996. Die Tochter T... D...besuchte bis Juli 2015 das Gymnasium und schloss es mit dem Abitur ab. Nach einem freiwilligen sozialen Jahr absolvierte die Tochter des Antragsgegners eine Ausbildung zur Holzbildhauerin an der Berufsfachschule für Holzschnitzerei und Schreinerei des Landkreises Berchtesgadener Land, die sie im Juli 2019 erfolgreich abschloss. Seit Oktober 2019 studiert sie an der Hochschule Augsburg Architektur (B.A.).

Mit Bescheid vom 17.04.2020 wurden der Tochter des Antragsgegners BAföG-Leistungen als Vorauszahlungen gemäß § 35 BAföG ab dem 01.10.2019 in Höhe von 277,69 Euro monatlich bewilligt. In der Zeit vom 01.10.2019 bis 30.09.2020 wurden entsprechende monatliche Beträge im Umfang von insgesamt 3.332,28 Euro an sie ausgezahlt.

Mit Schreiben vom 03.03.2021 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner den Übergang von Unterhaltsansprüchen für den Bewilligungszeitraum mit und forderte vom Antragsgegner erfolglos die Erstattung der gewährten BAföG-Leistungen in Höhe des Gesamtbetrags von 3.332,28 Euro.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2022 hat das Amtsgericht den Antragsgegner mit Endbeschluss vom 15.11.2022 antragsgemäß zur Zahlung von 3.332,28 Euro zuzüglich Zinsen verpflichtet. Der Endbeschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 15.11.2022 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 01.12.2022, eingegangen an diesem Tag, hat der Antragsgegner gegen den Endbeschluss vom 15.11.2022 Beschwerde eingelegt.

In seiner Beschwerdebegründung vom 12.01.2023 führt er aus, er sei zu Unrecht zur Zahlung verpflichtet worden. Ein Unterhaltsanspruch der Tochter bestehe nicht. Bei dem Studium der bereits volljährigen Tochter handele es sich nicht etwa um den Teil einer einheitlichen Erstausbildung, sondern um eine fachfremde Zweitausbildung. Zwischen der abgeschlossenen Ausbildung und dem Studium bestehe kein enger sachlicher Zusammenhang. Bei dem Beruf der Holzbildhauerin handele es sich um ein künstlerisches Handwerk, wohingegen eine Architektin plane, überwache und steuere. Die Ausbildung und das Studium würden eine inhaltlich völlig verschiedene Wissensvermittlung zum Gegenstand haben. Zudem hätte die Tochter gegen Obliegenheiten verstoßen, indem sie ihre Ausbildung nicht abgebrochen, sondern zu Ende geführt hätte, obwohl sie bereits während der Ausbildung gewusst hätte, dass sie beruflich als Holzbildhauerin nicht tätig sein wolle. Schließlich sei der Anspruch auch der Höhe nach nicht gegeben. Der Wohnvorteil sei mit 1 000 Euro monatlich zu hoch bemessen. Seine Eltern wohnten kraft des ihnen zustehenden Mitbenutzungsrechts ebenfalls in dem von ihm bewohnten Anwesen. Er selbst bedürfe keiner großen Unterkunft. Daher sei seinem Einkommen allenfalls ein Wohnvorteil in Höhe von 600 Euro hinzuzurechnen.

Der Antragsteller beantragt, den erstinstanzlichen Endbeschluss zu bestätigen. Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Ausbildung und Studium liege vor. Hierfür sei ausreichend, dass Ausbildung und Studium so zusammenhingen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeute oder dass die praktische Ausbildung eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf das Studium darstelle. Dies sei der Fall. Außerdem sei die Tochter des Antragsgegners nicht verpflichtet gewesen, ihre Ausbildung zur Kürzung ihrer Unterhaltsansprüche vorzeitig zu beenden. Ansonsten hätte sie spätere berufliche Nachteile befürchten müssen. Der Wohnvorteil sei von dem Gericht rechtsfehlerfrei ermittelt worden. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang die objektive Marktmiete.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung erster Instanz und die von den Beteiligten übermittelten Unterlagen verwiesen.

II. Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch ansonsten gemäß §§ 59 ff. FamFG zulässig. Sie wurde insbesondere rechtzeitig eingelegt.

In der Sache hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat das Amtsgericht einen Unterhaltsanspruch der volljährigen Tochter für den relevanten Zeitrau...

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